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Foto: APA/epa/Rainer Jensen
Die letzten Tage standen im Zeichen der fünfzig Jahre alten EU und des fünfzehn Wochen alten Eisbären Knut. Es lag wohl am Altersunterschied, dass sich die Sympathien auf die beiden Organismen unterschiedlich aufteilten. Alle lieben Knut, versuchte "Österreich", das Blatt, in dem nach eigener Beteuerung alles zuerst steht, am Samstag aus dem weltweiten Tier-Hype Betriebskapital gegen die auf Bestiarien aller Art spezialisierte kleinformatige Konkurrenz zu schlagen.

" Österreich" war indes fair genug, auch die EU von der Bärenstimmung profitieren zu lassen: Klare Mehrheit positiv zur EU - Keine EU-Skepsis in Österreich mehr, wurde eine Umfrage zitiert, die das Blatt wieder einmal allein und vor allen anderen Medien hatte. Vor allem allein. Ohne in Knut einen europäischen Hoffnungsschimmer zu erkennen, erging sich etwa Andreas Unterberger in der "Wiener Zeitung" in Spenglerschen Visionen und notierte Europas Abenddämmerung in sein Tagebuch. Die "Kronen Zeitung" verstand es da besser, beide Hypes organisch miteinander zu verbinden - Eisbär "Knut" stiehlt sogar EU die Show - und strafte gleichzeitig die Umfrage von "Österreich" Lügen mit dem Aufmacher: Bürger zeigten ihnen die kalte Schulter: Nur Politiker feierten das EU-Jubiläum.

Von so viel EU-Skepsis war Cato nicht einmal durch ein Mail an: knut.eisbär@zoo abzubringen, das sich - der Stil riecht sehr nach Uschi - "Österreich" abgerungen hatte, ehe der gefürchtete Briefschreiber Michael Jeannée zuschlagen konnte. Geliebter Eisbär, Du knuddeliger Knutsch-Knut! hieß es da, wobei die Großschreibung der Anrede von einem Respekt vor der Kreatur zeugt, den die "Krone" erst noch lernen muss. Viele Menschen, die auch nur ein Bild von Dir sehen, sind schon gerührt. Du "entwaffnest" sie. Für den Augenblick, in dem man in Deine Augen blickt, herrscht Weltfrieden. Wer Dich so herumtapsen sieht, im knuddeligen Weiß, der Unschuldsfarbe der Natur, hat nur einen Wunsch: Dich ans Herz zu drücken.

Bei der Mutter hat er ja nichts genützt, der von der Schöpfung so klug ersonnene Schutzinstinkt dank dem Kindchen-Schema, dem Du perfekt entsprichst: Große traurige Augen, große lustige Ohren, ein kleines fürwitziges Stupsnäschen, eine (noch zu) große Flausch-Tuchent als Fell - man MUSS Dich liebhaben. Bei lustigen Augen und traurigen Ohren wäre die Mutter vielleicht auf den Trick der Schöpfung hereingefallen, aber was soll's - Du hast dafür Millionen Mütter gewonnen - ALLE Frauen (und alle Männer, die ehrlich sind).

Der Appell an männliche Ehrlichkeit unter Einsatz des knuddeligen Knutsch-Knuts muss auch in Wolfgang Fellner einen von der Schöpfung so klug ersonnenen Schutzinstinkt geweckt haben, allerdings nicht dank dem Kindchenschema, sondern eher nach seinem privaten Herausgeberschema. Plötzlich wollte er erkannt haben: Die Regierung ist mittlerweile besser als ihr Ruf.

Das hätte noch nicht allzu viel zu besagen. Zehn Wochen lang war es fast schon "Mode", auf die Große Koalition, ihren Kanzler und die rot-schwarzen "Streithanseln" hinzuhauen. "Gusi-Bashing" war Medien-Sport, und "Österreich" erwies sich dabei durchaus auf sportlicher Höhe. Als Ergebnis dieses Starts gegen alle Medien hat der Kanzler derzeit die schlechtesten Popularitätswerte, die ein Regierungschef so kurz nach dem Start je hatte. Wenn die Werte, die ein Kanzler so kurz nach dem Start je hatte, das Ergebnis dieses Starts sind, schreit das nach einer tiefschürfenden Analyse. Doch Hand auf's Herz: So schlecht war der Start der Großen Koalition wirklich nicht. Also was jetzt? Die schlechtesten Popularitätswerte, die ein Regierungschef so kurz nach dem Start je hatte, können demnach nur daran liegen, dass der Start gegen alle Medien erfolgt ist, was noch niemandem aufgefallen, aber was zu enthüllen eben nur ein Wolfgang Fellner imstande ist.

Der vielgescholtene Kanzler (der sich mittlerweile als deutlich besser herausstellt als die veröffentlichte Meinung) und sein unauffälliger Vize ergänzen sich perfekt. Höchste Zeit also, das Spiel einmal umzudrehen: Wird ab jetzt nur noch der wahre Kanzler veröffentlicht und die Medienmeinung gescholten, auch wenn es bisher die eigene war?

Und das ist noch nicht alles. Die beiden haben mit ihren Jung-Stars Faymann und Pröll ein fast kongeniales Stellvertreter-Duo installiert, das in einer eigenen "Koordinierungs-Sitzung" schon vor jedem Ministerrat die Streitfälle löst - sapperlot! Regierungskunst auf ihrem Höhepunkt. In Wahrheit liegt es aber nicht daran, dass sich der auffällige Kanzler und sein unauffälliger Vize perfekt ergänzen, sondern sind Pröll und Faymann das Geheimnis, warum diese Regierung seit Kurzem so gut läuft - sie sind die persönliche Koalition. Nicht nur das. Sie sind der neue Regierungs-Motor, ferner die "Regierungs-Koordinatoren", und daher auch die neuen starken Männer der Regierung. Ebenso die "Koordinations-Zwillinge", und um das Bild von ihnen abzurunden, die "Wunder-Kids" der noch kränkelnden Koalition.

Und zuerst stand das alles in "Österreich". Wo sonst? (Günter Traxler/DER STANDARD; Printausgabe, 27.3.2007)