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Schon 1997 wäre es fast soweit gewesen. Russland und Lettland standen kurz vor der Einigung auf einen Grenzvertrag. Im letzten Moment scheiterten die Bemühung allerdings daran, dass Lettland dem Vertrag eine Deklaration beifügte, in der auf das "Problem Abrene/Pytalowo" hingewiesen wurde. Lettland weigerte sich, das vormals hauptsächlich von Letten bewohnte Abrene ohne Volksbefragung an Russland abzutreten. Territorialforderungen befürchtet

Russland befürchtete Territorialforderungen und unterschrieb den Vertrag kurzerhand nicht. Erst mit einem Anfang März vom lettischen Sejm in erster Lesung verabschiedeten Gesetzesentwurf verzichtet das Land gänzlich auf jeden territorialen Anspruch gegenüber Russland. Der russische Ministerpräsident Michail Fradkow sowie sein lettischer Amtskollege Aigars Kalvitis unterzeichneten am Dienstag in Moskau ein gemeinsames Grenzabkommen. Damit erkennt Riga indirekt an, dass das ehemals lettische, der UdSSR zugeschlagene Territorium rund um die Ortschaft Pytalowo nunmehr Teil der Russischen Föderation ist. Das Abkommen könnte Ende Mai in Lettland ratifiziert werden.

"Wichtiger Schritt"

Olga Kamenchuk, Expertin im Bereich der postsowjetischen Staaten an der International University in Wien, zeigt sich erleichtert über den "wichtigen Schritt zwischen Russland und Lettland", und gibt der Hoffnung Ausdruck, dass diese Einigung zur "Verringerung der Spannungen" zwischen den beiden Staaten führen könnte. Auch die Europäische Union zeigt sich zufrieden mit der Einigung. Sie hatte Druck ausgeübt, um an ihren Außengrenzen klare Fronten zu schaffen. Lettland erfüllt damit auch eine Voraussetzung für seinen Beitritt zur EU und zur Nato im Jahr 2004.

Ausständiges Abkommen mit Estland

Ausständig ist nun noch das Grenzabkommen mit dem baltischen Nachbarstaat Estland. Auch hier könnte der jahrlang dauernde Grenzstreit demnächst nicht zuletzt auf Druck der EU beigelegt werden. Wiederholt unterstrich die EU die Bedeutung eines solchen Abkommens für den europäischen Warenverkehr und für die Bekämpfung des illegalen Grenzübertritts. Wie in Lettland lag der Entwurf schon am Tisch, als Russland seine Unterschrift zurückzog. Grund: In der estnischen Präambel des Textes wird die Eingliederung Estlands in die Sowjetunion 1940 als "Aggression" und illegale Inkorporation" bezeichnet.

Olga Kamenchuk rechnet allerdings damit, dass Estland in nächster Zeit einlenken wird. Und zwar trotz teilweise anderslautender Rhetorik des estischen Premierministers Andrus Ansip. Nicht zuletzt auch deswegen, weil Estland und Lettland bemüht sind, in dieser Frage "Hand in Hand" zu gehen. Dass Lettland sich zuerst mit Russland auf einen Grenzvertrag einigen konnte, führt Olga Kamenchuk auf das Interesse Russlands zurück, Pytalowo endgültig in die russische Föderation zu holen.

Verstimmungen

Außerdem leidet das gespannte Verhältnis zwischen Estland und Russland derzeit zusätzlich an einem frischen Konflikt. Estlands Parlament hatte im Februar beschlossen, ein Denkmal zu Ehren der Roten Armee aus dem Zentrum der Hauptstadt Tallinn zu entfernen. Was Russland verstimmte. Sowjetischen Truppen, die die Nazis Ende des Zweiten Weltkriegs aus Estland vertrieben hatten, würden auf diese Weise entehrt. Die Bevölkerung Estlands sieht die darauf folgenden 50 Jahre unter sowjetischer Verwaltung jedoch als Besetzung.

Weiterhin ein Konflikt zwischen den baltischen Staaten und Russland bleibt das Problem der Diskriminierung der russischen Minderheiten in den Lettland und Estland. "Die Entschärfung dieses Konfliktes wird leider allerdings noch länger dauern", befürchtet Kamenchuk. (mhe, APA)