Bild nicht mehr verfügbar.

Das aktuelle Staatsopernstück und seine derzeitige Besetzung: Wilhelmine Goldmann, Christian Thielemann, Claudia Schmied, Alexander Pereira, Neil Shicoff, Franz Welser-Möst und der mitgestaltende, offenbar kunstinteressierte Bundeskanzler Alfred Gusenbauer (von li.).

Foto: APA, EPA, Cremer, Philharmoniker; Collage: Beigelbeck
In der ORF-Sendung Treffpunkt Kultur erweckte Bundeskanzler Alfred Gusenbauer Montagnacht den Anschein, als sei er für die Bestellung des Staatsoperndirektor zuständig: Ihm schwebe eine „künstlerische Führungsfigur“ vor, die dem Haus „ein künstlerisches Gepräge gibt“, er berate sich daher, spreche mit vielen Menschen.

Allerdings: Im Gegensatz zu seinen Vorgängern ist Gusenbauer für die in GmbHs ausgegliederten Bundestheater, zu denen neben der Staatsoper auch das Burgtheater und die Volksoper gehören, nicht zuständig: Weil die „Kunst“ vom Kanzleramt ins Unterrichtsministerium wanderte. Auch deshalb wird das Bundestheaterorganisationsgesetz novelliert: das Wort „Bundeskanzler“ ist durch „Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur“ zu ersetzen.

Claudia Schmied also hat – nach Anhörung des Aufsichtsrates – den Staatsoperndirektor zu bestellen. Und nur sie. Gusenbauer kann sie höchstens beraten, falls sie einer Zuflüsterung bedarf. Aber gerade in der Hochkultur kennt sich Schmied gut aus. Sie lässt Gusenbauer die Freude, sich mit Künstlernamen zu schmücken, und spricht selbst mit all den möglichen Kandidaten.

Offiziell beworben hat sich noch niemand: Man will sich nicht andienen, sondern gefragt werden. Das Gesetz erlaubt dies: Es können „auch Personen betraut werden, die sich nicht im Rahmen der Ausschreibung um diese Funktion beworben haben“.

Gesucht wird aber nicht nur der künstlerische Direktor, sondern auch der kaufmännische. Entgegen diversen Medienberichten ist dieser aber nicht der „Vizedirektor“: Die Bühnengesellschaften, darunter die Staatsoper, „haben jeweils zwei Geschäftsführer“. Das heißt: Auch ein „Triumvirat“, wie jüngst in Erwägung gezogen, ist unmöglich – außer man ändert das Gesetz, was Schmied nicht vorhat.

Die beiden Geschäftsführer sind gleichberechtigt – mit einer einzigen Einschränkung: Können sie sich in einer Frage nicht einigen, ist die Auffassung des künstlerischen Direktors entscheidend. Er hat also ein Dirimierungsrecht. Allerdings sind derartige Entscheidungen dem Aufsichtsrat zur Kenntnis zu bringen. „Das überlegen sich die Geschäftsführer natürlich gut, ob sie es so weit kommen lassen“, so Volksoperndirektor Rudolf Berger. „Meinem Wissen nach ist das seit der Ausgliederung 1999 nie vorgekommen.“

Jüngst wurde das Gerücht kolportiert, dass Wilhelmine Goldmann, die ÖBB-Nahverkehrschefin, die kaufmännische Direktorin werden könnte. Schmied hält sie, wie im Standard zu lesen war, „für eine geeignete Kandidatin“. Allerdings: Schmied ist nicht berechtigt, Goldmann oder jemanden anderen ernennen. Denn die Bestellung der kaufmännischen Geschäftsführer obliegt laut Gesetz der Bundestheaterholding. Sollte also Schmied einen Favoriten befördern wollen, dann muss sie Holdingchef Georg Springer eine Weisung erteilen.

Zudem ist vor der Bestellung der künstlerische Geschäftsführer zu hören. Und da logischerweise nicht Ioan Holender, der in Pension geht, gehört werden soll, sondern sein Nachfolger, heißt das: Gegenwärtig ist ausschließlich der künstlerische Direktor zu suchen. Ob dieser dann einen Sekretär anstellt und/oder einen Musikdirektor ernennt: Dies ist einzig seine Entscheidung. Ein Duo jedenfalls kann nicht bestellt werden.

Der künstlerische Direktor trägt aber die künstlerische Verantwortung allein. Die „Künstlerpersönlichkeit“, von der Gusenbauer träumt, sollte sich daher, bevor er sich ernennen lässt, den kulturpolitischen Auftrag genau anschauen. Mit der Erstellung der Premierenliste ist es jedenfalls nicht getan: Das macht zwar viel Freude, aber „überbordend“ hat man sich, so Burgtheaterdirektor Klaus Bachler, „mit verwaltungstechnischen Dingen zu beschäftigen“. Und Rudolf Berger, ebenfalls ein Non-Playing-Captain, sagt: „Eine aktive, künstlerische Leitfigur als Direktor der Staatsoper zu finden, hat sicherlich einen Reiz. Doch diese Person, sei sie Dirigent oder Sänger, wird nicht die Zeit haben, sich um den ,Alltag‘ in dem Maße zu kümmern, wie es ein Haus wie die Staatsoper erfordert. Das ist nicht nur nicht leistbar, sondern auch nicht wünschenswert, denn dieser Künstler ist ja deswegen Leitfigur, weil er eine künstlerische Karriere macht. Und er kann auch nur Leitfigur bleiben, wenn er diese Karriere nicht für die Staatsoper abbricht.“

Roland Geyer, Direktor des Theaters an der Wien, ist der gleichen Meinung: „Ein Unternehmen dieser Größenordnung braucht mehr als nur ein paar künstlerische Überlegungen. Das muss einer machen, der 80 Prozent der Zeit da ist. Es geht ja nicht nur um Abonnements und Touristen, die anzulocken sind, auch nicht nur um die Entscheidung: Spielt man Carmen statt Aida, holt man die Netrebko oder nicht? Die Superstars kommen ohnedies. Die Fragen sind ja: Was wird mit den Wiener Philharmonikern in Zukunft, wie gestaltet man die inneren Strukturen des Hauses, die Kollektivverträge, wie kommt man in der Probensituation weiter?“ Geyer hätte daher nichts gegen eine Künstlerpersönlichkeit, die weiterhin allerorts singt oder dirigiert. Härtere Konkurrenz für ihn „wäre sicher ein charismatischer Managerintendant“. Wie zum Beispiel Gerard Mortier oder Alexander Pereira.


Kandiaten

Neil Shicoff: Der US-Tenor ist einer der Sängerschauspieler der Gegenwart. Einst - wegen Absagen - als eher übersensibel klassifiziert, hat sich Shicoff in den letzten 15 Jahren, auch an der Staatsoper, zum verlässlichen Gestalter entwickelt. Dass er nun Appetit auf die Leitung der Staatsoper verspürt, weckt jedoch Befürchtungen, dass Shicoff für die strukturellen und ökonomischen Fragen, deren Lösung der Staatsoper ins Haus stehen, nicht genügend Erfahrung und Interesse aufbringen würde. Einen Star als Alibidirektor braucht das Haus nicht. Es ist selbst der Star. Ein schwieriger.

Franz Welser-Möst: Der Dirigent und frühere Wunschkandidat von Ioan Holender wäre zu Gesprächen bereit, würde allerdings den Staatsopernjob nur gemeinsam mit einer Person seiner Wahl übernehmen. In Zürich hat er, Orchesterchef in Cleveland, jedenfalls als Musikchef gute Aufbauarbeit geleistet.

Christian Thielemann: Der Chef der Münchner Philharmoniker ist ein Liebling der Wiener Philharmoniker; und die Sympathie des Orchesters hat noch keinem Kandidaten geschadet. Ob der international tätige Könner genug Freiraum hätte, um sich auf den Wiener Alltag einzulassen, ist fraglich.

Alexander Pereira: Der Züricher Intendant war einst Wiener Konzerthauschef, kennt also die Spezialitäten der Stadt und hat das Schweizer Opernhaus zum starbesetzten Opernort der anspruchsvollen Regie gemacht.

(Thomas Trenkler, Ljubiša Tošiæ / DER STANDARD, Printausgabe, 28.03.2007)