Ein paar Reifen liegen im Eck, daneben ein halb zusammengebautes Minifahrzeug. Sehr provisorisch sieht das Ganze aus. Doch einige setzen viel Geld darauf, dass hier, im Media Lab des Massachusetts Institute of Technology (MIT), die Zukunft des Autos gedacht wird. "Das Auto entwickeln wir zusammen mit General Motors", sagt Susanne Seitinger. "Das Besondere daran ist: Es hat keinen Motor. Der elektrische Antrieb ist in den vier Rädern eingebaut. Das gibt uns mehr Freiheit beim Design." Die Österreicherin Seitinger ist Studentin am Media Lab. Sie arbeitet in der "Smart Cities"-Gruppe, die vom Architekturprofessor William J. Mitchell geleitet wird.
Die Gruppe denkt über Städte nach, entwickelt Häuser, die digitale Botschaften ausstrahlen und designt Fortbewegungsmittel, die eigentlich wie Eier auf Rädern ausschauen. Zu der rund zehnköpfigen Gruppe, die das Auto neu erfinden will, gehören MIT-StudentInnen mit Wissen in Architektur, Design, Mechanik, Elektrik, Informatik oder Neurobiologie. Auch der weltberühmte Architekt Frank Gehry lässt seine Ideen einfließen.
Susanne Seitinger hat ihr gesamtes Studium in den USA absolviert. Die Tochter eines Handelsdelegierten maturierte in Wien und ging dann nach Princeton. "Ich wusste nicht genau, was ich studieren wollte. Da kam mir das amerikanische System entgegen, wo man erst im zweiten oder dritten Jahr ein Hauptfach wählt." Sie entschied sich für den Schwerpunkt Architektur und schloss am MIT einen Master in Städteplanung an. Vor zweieinhalb Jahren wechselte sie ans Media Lab.
An der Wand gegenüber der Auto-Baustelle steht ein hohes Regal voller Lego-Bausteine. Auf einem Tisch liegen Kuscheltiere und elektronische Bauteile. "Das ist der Lifelong Kindergarten", sagt Seitinger. Sie zündet eine der Kerzen an, die in dem Bauteilehaufen liegen. Wenn man sie ausbläst, erklingt "Happy Birthday". In die Kerze hat jemand einen Sensor eingebaut, der auf den Lufthauch mit Tönen reagiert. PicoCricket heißt der komplette Bauteilkasten, er wird um 250 Dollar verkauft. Damit können Kinder ihre eigene Fabelwelt erfinden - die Bauteile in Kuscheltiere oder Monster einbauen und sie nach Belieben programmieren. Einer der wichtigsten Sponsoren des Media Lab ist Lego. Die Lego MindStorms für Roboter wurden hier entwickelt.
Mit den Leuten vom Lifelong Kindergarten hat Seitinger ein reaktiven Spielplatz entworfen: ein Gebilde, wo Kinder von einem Stein zum nächsten hüpfen und der Stein bei der Berührung irgendwelche Bewegungen macht. Das Ding gibt es noch nicht zu kaufen, aber die Kinder im MIT-Kindergarten - dem "echten" Kindergarten - haben eine Woche lang damit gespielt. "Das ist das Tolle am Media Lab", sagt Seitinger. "Ich habe eine Idee und suche mir im ganzen Haus die Leute zusammen, die das machen können, was ich nicht kann, beispielsweise Programmieren oder Elektronik."
Weniger handfest sind die Projekte von Dietmar Offenhuber, dem zweiten Österreicher im Media Lab. Offenhuber forscht in der von Judith Donath geleiteten "Sociable Media"-Gruppe. "Da geht es darum, das soziale Verhalten in Online-Räumen zu studieren. Online-Räume sind ein öffentlicher Raum, in dem Fremde kommunizieren. Wir versuchen, den physischen und virtuellen öffentlichen Raum miteinander zu verbinden."
Seit Herbst 2006 ist Offenhuber im Media Lab. Vorher hatte er Architektur an der TU Wien studiert und nebenbei zehn Jahre im Ars Electronica Futurelab in Linz gearbeitet - für ihn "die wichtigste Ausbildung". Zuletzt unterrichtete er Computeranimation und Informationsvisualisierung an der FH Hagenberg. 2005 lud ihn der Architekt Carlo Ratti ans MIT ein, um einen Vortrag über seine Diplomarbeit "Wegzeit" - eine Studie über Los Angeles - zu halten. Dabei schaute sich Offenhuber das Media Lab an und beschloss, sich zu bewerben. Die formale Ausbildung - ein Master in Media Arts and Sciences - ist fast zweitrangig. "Ich habe Zeit, wieder etwas Neues zu entwickeln. Am spannendsten ist das internationale Umfeld, in dem jeder Kollege, jede Kollegin aus einem anderen Land kommt, mit einer anderen persönlichen Geschichte." Die meisten haben Berufserfahrung im kulturellen Bereich, in Museen, in der Forschung oder mit einer eigenen Firma.