Die Entscheidung zwischen Papier- und Plastiksackerl hat in den letzten Jahren eine ethische Dimension bekommen und treibt vor allem ökologisch sensible Konsumenten in ein schweres Dilemma: Plastik ist eindeutig belastbarer, drückt aber seinerseits aufs Umweltgewissen. Papier ist politisch korrekter, hält mangels Reißfestigkeit aber oft nicht, was es halten soll.
Eher pragmatischer Natur ist der Einsatz papierener Behältnisse in der Industrie: Zementsäcke beispielsweise könnten gar nicht aus Kunststoff sein, weil sie nicht nur reißfest, sondern auch gasdurchlässig sein müssen - und das bietet eben nur Papier. Das Zementpulver wird in einem Gasstrom, der zu 80 Prozent aus Luft besteht, vier Sekunden lang in den Sack geblasen. Die Luft muss innerhalb dieser vier Sekunden wieder aus dem Sack hinaus, das Pulver aber sollte möglichst drinnen bleiben.
"Für diesen Zweck ein optimales Papier zu kreieren, ist eine echte Herausforderung und erfordert den Einsatz von Hightech-Methoden", sagt der Chemiker Robert Schennach. Im neuen "Christian-Doppler-Labor für oberflächenphysikalische und chemische Grundlagen der Papierfestigkeit" an der Grazer Technischen Universität, das Schennach leitet, wollen die Forscher nun erkunden, was das vielseitige Material im Innersten zusammenhält.
"Um ein möglichst dünnes, reißfestes und zudem kostengünstiges Papier zu bekommen, muss man zunächst einmal Grundlagenforschung betreiben", so Schennach. "Bislang weiß man noch sehr wenig darüber, warum zwei Papierfasern überhaupt aneinander haften, welche Arten von Bindungen hier eine Rolle spielen und wie stark diese sind." Um Licht in dieses wissenschaftliche Dunkel zu bringen, haben sich unter der Leitung des Grazer Chemikers Forscher vom Institut für Papier- und Zellstofftechnik und Mitarbeiter der Firma "Mondi Packaging" - einem internationalen Sackpapier-Konzern mit Niederlassung im Kärntner Frantschach, der auch die Hälfte der Laborkosten übernimmt -, zu einem interdisziplinären Team zusammengeschlossen. "Diese Verknüpfung unterschiedlicher Wissens- und Erfahrungsbereiche ist unsere große Stärke", ist Robert Schennach überzeugt.
Methodenmix
Auf ihrem Vorstoß ins papierene Innenleben stützen sich die Wissenschafter auf drei Methoden: So wird für die chemische Analyse die Infrarotspektroskopie zur Identifikation der chemischen Einheiten auf der Oberfläche der Papierfaser eingesetzt. Mit diesem Verfahren werden Schwingungen in Molekülen angeregt, die für die chemischen Bestandteile des Materials charakteristisch sind.
Um zu erfahren, wie groß die Schnittfläche zwischen zwei sich überkreuzenden Fasern ist, gießen die Experten vom Papierinstitut im nächsten Arbeitsschritt eine Papierprobe in Kunstharz und schneiden sie in hauchdünne Scheiben. Diese werden unter dem Mikroskop fotografiert und digitalisiert. Aus den gesammelten und computertechnisch bearbeiteten Daten erhält man schließlich eine dreidimensionale Rekonstruktion einer Faser im Netzwerk und damit Aufschluss über die Größe der überlappenden Fläche, auf der die Bindung stattfindet.
"Kennt man die Größe dieser Fläche, kann man gezielt die aus den Infrarotmessungen bekannten chemischen Gruppen so verändern, dass sie möglichst starke Bindungen eingehen", erklärt Schennach. "Hat man eine große Fläche, kommt man - da es viele gibt - mit schwächeren Bindungen aus. Ist sie klein, braucht man stärkere Bindungen, um die gleiche Festigkeit zu erreichen."
Zur Verbesserung der Auflösung kommt hier als dritte Methode die Rasterkraftmikroskopie zum Einsatz, mit der die Oberfläche von Papierfasern in Nanometerauflösung abgetastet wird. Nimmt man eine einzelne Faser-Faser-Kreuzung heraus, können die beiden Fasern auseinandergerissen und die dabei auftretenden Kräfte gemessen werden. "Diese Methode wird von unseren Kooperationspartnern an der Montan-Universität Leoben erstmals bei Papierfasern eingesetzt", erklärt Schennach.