Fischamend - Manche Dramatiker erweisen sich beim genauen Hinhören als Komponisten: Ihre Texte verfügen über eine feine Sprachmelodie, die, unabhängig vom aktuellen Geschehen, Figuren charakterisiert, Nuancen ausleuchtet, Zwischentöne andeutet, Kommunikationsstörungen unter den handelnden Personen als Rhythmusstörungen zur Sprache bringt, zu Sprache macht.
Das geschulte Ohr erkennt auf der Bühne wie im Leben: Im Tonfall weit mehr als im konkreten Inhalt liegt die eigentliche Kommunikation. Ihm gilt es zu lauschen.
Ein solcher Feinst-Erspürer der Zwischentöne menschlicher Kommunikation ist Ödön von Horváth. Schon die "Pause", die er seinen Figuren mitunter als Antwort zuschreibt, spricht eindringlicher als manche Suada.
Ein Horváth-Stück tatsächlich auf der Bühne zu erleben - und nicht nur scheinbar, weil es das Programmheft so ausweist -, ist daher ein kaum je sich ereignender Glücksfall. Kaum ein Regisseur nämlich versteht es, dem Dramatiker tatsächlich nachzulauschen, die Verletzungen zu hören, die zwischen den Zeilen anklingen - und sie mit seinen Schauspielern auch hörbar zu machen.
Fischamend
Ohne den Atem der Horváth'schen Sprachmelodie aber ist ein Horváth-Stück auf der Bühne nicht mehr als eine schöne Leich': der entseelte Kadaver. Glückte es in den vergangenen Jahren vor allem außerhalb Österreichs, nämlich dem Schweizer Regie-Komponisten Christoph Marthaler, Horváth mit Darstellern wie Sepp Bierbichler, Olivia Grigolli, André Jung und Ueli Jäggi ungeahnten Theaterodem einzuhauchen, ist es ein doppeltes Wunder, den Autor nun nicht etwa auf der Bühne des Burgtheaters, sondern vor Wiens Toren unverbraucht zu entdecken: in Fischamend. In Fischamend? Ja. Eine Gruppe von Laien, die sich unter dem Namen "Fischamender Spielleut" zusammenfanden, wagte sich im zehnten Jahr ihres in der Großstadt weit gehend unbemerkten Bestehens an Geschichten aus dem Wienerwald.