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Ein Edel-Macho als Beziehungs-Neandertaler: Diese Rolle verkörperte Clive Owen in "Closer" perfekt. Darüber Stills aus "Inside Man", "Children of Men", "Sin City" und aus Lancômes neuem Werbespot.

Foto: AP/Reuters

Ein Hautarzt, der während seiner Dienstzeit im Internet auf Aufriss geht. Die Rollläden vor seinem Arztzimmer zieht er verschämt nach unten, vergnügt gluckst er, als es im Chat gleich zur Sache geht. Ein Glück für ihn, dass er nicht weiß, mit wem er es zu tun hat: Die vermeintliche Gesprächspartnerin ist nämlich ein Gesprächspartner. Doch das kriegt Hautarzt Larry erst viel später mit.

Der englische Schauspieler Clive Owen ist Larry. Eine massige, breit grinsende Gestalt, die genauso charmant wie plump ist und für deren Verkörperung Owen in der Filmadaption "Closer" einen Golden Globe und eine Oscarnominierung bekam: als Mann, in den man sich verschaut, obwohl man mit ihm Mitleid haben sollte - und auch hat.

In der Kombination aus Beziehnungs-Neandertaler und traurigem Edel-Macho ist Clive Owen schon des öfteren aufgefallen. Die Süddeutsche Zeitung hatte in ihm bereits 2002, als er in "The Bourne Identity" einen verletzlichen Killer gab, "die Neuentdeckung des britischen Mannes" gesehen: Ein "sinnliches, mysteriöses Wesen" sei dieser Schauspieler, "ein homme fatal des neuen Jahrtausends, cool und verloren, sexy und paranoid" - eine Bewertung, der wohl auch das französische Kosmetikunternehmen Lancôme euphorisch zustimmen würde. Die Marketingstrategen des zu L'Oréal gehörenden Konzerns haben Owen nämlich zum "Gesicht" ihrer neuen Männerprodukte erkoren. Eine Wahl, die alles andere als selbstverständlich ist.

Bis dato Models vorbehalten

Parfüm- und Kosmetikwerbung für Herrenprodukte waren bis dato nämlich abseits von David Beckham durchgehend Models vorbehalten: einmal jenen mit und manchmal jenen ohne Brusthaare, einmal eher den schmächtigen Jungs und dann wieder den breitschultrigen Männern. Sie verkauften die zart schmelzenden Cremen nicht mithilfe ihres Namens, sondern kraft ihres Körpers. Männliche Schauspiel- und andere Stars dagegen waren für Kosmetik kaum zu haben: Sie ließen sich lieber mit fetten Uhren oder am Steuer eines protzigen Geländewagens ablichten. Das - fanden ihre Manager - steht ihnen besser zu (dem nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit eingecremten) Gesicht.

Mit dem Boom von Herrenpflegelinien und dem gesellschaftlichen Sanktus für Männerkosmetik (noch immer verzeichnet dieser Bereich jährlich zweistellige Zuwachsraten) trauen sich jetzt auch männliche Rolemodels als Werbeträger in den lange Frauen vorbehaltenen Bereich. Wichtig dabei ist nur, dass sie sowohl von weiblichen als auch von männlichen Käufern akzeptiert werden - Erstere kaufen nach wie vor mehrheitlich die von ihren Freunden, Gatten oder Brüdern verwendeten Produkte.

Bei Clive Owen ist das definitiv der Fall. Lange war der im englischen Coventry aufgewachsene Schauspieler (geboren 1964) als neuer James Bond im Gespräch - ein besserer Ausweis für allgemein akzeptierte Männlichkeit ist wohl nicht zu haben. Und das, obwohl Owen für David Bowie und Kindererziehung schwärmt und bei der Lancôme-Produktvorstellung in Paris bekannte, dass er nicht einmal wisse, was ein Übersexueller (also die neueste Weiterentwicklung des Metrosexuellen) sei.

Es sind wohl genau diese Seiten, die die Lancôme-Werbestrategen an Clive Owen faszinieren: ein "King Arthur", der sich selbst als "gewöhnlichen, sterbenslangweiligen Familienvater" beschreibt. Zwischen diesen Polen haben ziemlich viele Käufer Platz. (Stephan Hilpold/DER STANDARD/rondo/30/03/2007)