Conor Oberst

Bright Eyes: Cassadaga (Universal); ab 6. April im Handel

Foto: Universal
Den bislang populärsten sowie in Folge umstrittensten Auftritt seiner Karriere absolvierte Conor Oberst vor zwei Jahren in der Tonight Show des US-Talkmasters Jay Leno. Anstatt wie vereinbart mit seiner Band Bright Eyes einen Song aus der damals aktuellen Doppelveröffentlichung I'm Wide Awake, It's Morning sowie Digital Ash In A Digital Urn zu spielen, beschloss er kurzfristig, solo aufzutreten. Lediglich mit der Akustikgitarre im Anschlag gab Oberst in Country-Hemd und schwarzem Stetson den Song When The President Talks To God zum Besten.

Sagen wir so: Von allen verbalen Ohrfeigen, die der akute Mann im Weißen Haus während seiner beiden Amtszeiten bisher einstecken musste, war das eine der härtesten Geraden. Vor einem Millionenpublikum zerpflückte Oberst die bigotte Heuchelei von George W. Bush und ließ dabei wahrlich nichts aus: Mit "Does he ever smell his own bullshit when he talks to god, I doubt it" beendete er den auf YouTube leicht zu findenden Auftritt. Trotzdem - oder deshalb - schoss das Country-lastige Album I'm Wide Awake, It's Morning in die US-Top-Ten, während das poppigere Digital Ash In A Digital Urn von Kritik und Publikum zu Unrecht links liegen gelassen wurde. Oberst, der als Darling der Independent-Szene wieder auf dem Saddle-Creek-Label veröffentlicht, nutzt für sein neues Album Cassadaga erstmals die Vertriebswege der Musikindustrie. Formale Zugeständnisse lassen sich deswegen natürlich nicht erkennen, der beherzte Traditionalist liefert aber auch kein besonders exzentrisches Album ab. Im Gegenteil: Cassadaga, benannt nach einer spiritistischen Gemeinschaft in Florida, beschreitet weiterhin den Country-Rock-Trail und klingt dabei stellenweise wie ermattete Wilco. Eine ähnlich orientierte Band, die wie die Bright Eyes zwischen Tradition und Innovation pendelt. Nach einer eher länglich und mit seinen Soundspielereien auch ein wenig enervierend ausfallenden Eröffnungsnummer fidelt die Band aus Omaha, Nebraska, dann buchstäblich los. Four Winds, das als Single vom Album ausgekoppelt wurde, klingt nach absolvierter Neil-Young-Klasse zu Zeiten von American Stars'n'Bars oder nach Camper Van Beethoven gegen Ende der Achtziger. Obersts kunstvoll gebrochener Gesang besorgt die notwendige Wehmut, während die Geige weint und greint wie einst in Bob Dylans wütender Anklage Hurricane. Nach diesem wirklichen Einstand rutscht Cassadaga allerdings schnell ins Mittelmaß. Breiter instrumentiert als viele Vorgänger erscheint es weniger homogen, aber auch nicht zerrissen genug, um besonders interessante Brüche zu offenbaren. Ganz peinlich etwa ist der Chor in Make A Plan To Love Me, und auch die hier oft und gerne eingesetzte Orgel transportiert statt emotionaler Tiefe öfter bloß ein dünnes Süppchen.

Zu "Middle of the road" klingt das Album. Daran ändert die stellenweise aufblitzende Brillanz ihres Schöpfers letztlich genauso wenig wie das Auftauchen honoriger Gäste wie M. Ward, der Neo-Country-Lady Gillian Welch oder Andy LeMaster, Kopf von Now It's Overhead - oder Janet Weiss von Sleater Kinney. Zumindest die obligatorischen Genie-Rufer sollten diesesmal aber schweigen. Sorgen muss man sich deshalb nicht wirklich. Oberst ist gerade erst 27 geworden. (Karl Fluch /DER STANDARD, Printausgabe, 30.03.2007)