Die Hände schützen?

Foto: Der Standard
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Wir erkennen einander, und zwar ungefähr ab März. Unser Händedruck ist rau, hart, erdig. So einen Handschlag wie wir hat überhaupt sonst niemand. Wenn Gärtnerpranke zu Gärtnerpranke findet, bedarf es keiner weiteren Worte. Alles ist dann klar.

Wie bitte? Aber nein! Gärtner und Gärtnerinnen sind selbstverständlich nicht die besseren Menschen, etwa die mit Handschlagqualität oder so. Wir spielen ja nicht "Nachsommer" hier. Leute mit Garten haben nur - nach Hochofenarbeitern und Friseuren - die erledigtsten Hände, und die erkennt man allerorten sofort. Zum Beispiel an der Supermarktkassa, wo man gerne in der Warteschleife stehend nicht ohne Genugtuung beobachtet, wie die Kassierin die Kundschaft durch erbarmungsloses Tempo in die Verzweiflung hetzt, bevor man selbst dran ist. Ist der Blick einmal geschärft für die unterschiedlichen Hand-Zustände, kann man da seine schrundigen Wunder erleben. Gepflegteste Damen packen mit Pratzen zu, vor denen man sich am helllichten Tag fürchten kann, kein Witz.

Wenn man sich auf dieses Spiel lang genug einlässt, dann deuchen einen mit der Zeit freilich all jene, die mit rosigen Fingerchen und ans Milchweiße grenzenden Fingernagelüberständen Hand an was auch immer legen, unheimlich, ja geradezu bedauernswert. Quasi lebensfern und ein bisschen blutleer. Das ist hochmütig, na klar. Aber diese armen Leute leben offensichtlich vorbei an jener Art heroischer Gefühle, wie sie zum Beispiel jene überschwemmen, die nach mehrstündiger Wühlarbeit den Wurzelballen des zuvor gefällten Gestrüpps (im Idealfall eine Thuje oder Konifere, ja! ja! ja!) bezwungen und dem Boden entrissen haben.

Der welt ununterbrochen Haxen ausreißen

Gärtner tun nichts Geringeres, als der Welt mit meistens bloßen Händen ununterbrochen Haxen ausreißen, seien das die Ausläufer des allseits verhassten Giersch oder die mehrere Meter dem Erdmittelpunkt zustrebenden Wurzeln der gemeinen Zaunwinde, hierzulande Windling genannt. Oder, da wir Übertreibungen lieben, könnten wir auch behaupten, die Schultern des gärtnernden Atlas seien seine Hände. Und das Handgefühl nach langer Gartenarbeit ist auch etwa so, als habe man die Welt gestemmt. Für ein Weilchen zumindest, und das in Wirklichkeit auch, wenn man - und endlich kommen wir zum Punkt - Vorkehrungen in unterschiedlicher Form trifft.

Die Vernunft besagt Folgendes: Hände vor der Gartenarbeit fett eincremen. Fingernägel in ein Stück weiche Seife krallen, damit dem Dreck gewissermaßen abwaschbare Barrieren vorgeschoben sind. Hände mit Gartenhandschuhen umhüllen. In den Glaubenskriegen, die um die Beschaffenheit der Handschuhe toben, mischen wir uns lieber nicht zwischen die Leder- und Gummi-Fronten, merken aber an, dass es Menschen gibt, die nach dem Handkontakt mit der Erde zu echt unangenehmen, schmerzenden Schrunden neigen, und diese entzündeten Klüfte an den Fingern lassen sich auch mit Handschuhen nicht immer vermeiden. Es sei denn, man kauft sich diese ganz feinen Zwirnhandschuhe, die unter den Gartenhandschuhen getragen werden können.

Das Hauptproblem liegt aber natürlich ganz woanders: Kein normaler, seinem Garten verfallener Mensch lässt sich von seinen im Augenblick ungeschützten, nackten Fingernägeln oder Handflächen davon abhalten, beim Durchschreiten des Gartens zufälligerweise erblickte Unkräuter möglichst wurzeltief auszureißen, unerwünschte Steine aus Rabatten zu klauben oder von Regenwassern entwurzelte Setzlinge augenblicklich mit nackten Händen wieder im Erdreich zu verankern. Wer denkt schon an Creme, Seife, Handschuhe, wenn es Dringlicheres zu tun, Pflanzenleben zu retten gilt? Für den Notfall zur Wiedergutmachung ein Tipp: Das optimale Handscheuermittel ist ein Löffel Kristallzucker plus irgendein Öl. Ein paar Minuten gut Hände reiben, abwaschen und das Gefühl, Butterkrebsfinger zu haben, genießen. (Der Standard/rondo/30/03/2007)