London/Washington/Genf/Rom (APA/dpa/AFP) - Der Konflikt um die im Iran festgenommenen britischen Marinesoldaten ist am Donnerstag Gegenstand von Pressekommentaren:

"The Guardian" (London)

"Die Lage wird von Tag zu Tag ernster. Von geschickter Diplomatie kann hier keine Rede sein, Teheran fügt sich selbst großen Schaden zu. Je länger der Iran die Soldaten festhält, desto mehr wächst der Verdacht, dass sie ein Pfand in den Verhandlungen mit den USA sind. Die Bemühungen britischer Diplomaten laufen auf Hochtouren. Sie werden unterstützt durch die EU, die Türkei, Saudi-Arabien und sogar den Irak. Nur die Diplomatie kann zur Lösung der Krise beitragen. Der Iran sollte jedoch nicht unterschätzen, welche Auswirkungen sein Verhalten auf die Erzkonservativen in den USA und in Israel hat. Noch haben im US-Außenministerium die Pragmatiker die Oberhand, die Mittel für Sanktionen sind noch nicht ausgeschöpft. Der Iran sollte sich aber darüber im Klaren sein, dass die Uhr tickt."

"The Times" (London)

"Die britische Regierung muss den Druck auf den Iran unbedingt aufrecht erhalten. Es gibt erste Anzeichen dafür, dass sich einige Mitglieder der Regierung in Teheran nicht ganz wohl in ihrer Haut fühlen. Der Iran scheint sich darüber im Klaren zu sein, dass sein Ruf auf dem Spiel steht. Die Fernsehbilder der festgenommenen Soldaten sollen der Welt beweisen, dass die Gefangenen gut behandelt werden. Ganz anders war das 2004, als der Iran acht britische Soldaten mehrere Tage lang festhielt. Von ihnen wurden Bilder gezeigt, wie sie mit verbundenen Augen durch die Wüste marschierten. Die Art ihrer Vorführung war äußerst provokativ. Hoffentlich siegt in Teheran bald die Einsicht, dass die Geiselnahme dem Iran mehr Schaden zufügt als Großbritannien."

"The Washington Post"

"Die Festnahme von 15 britischen Seeleuten und Marinesoldaten, einen Tag bevor der UNO-Sicherheitsrat eine neue Resolution annahm, die Sanktionen gegen Teheran wegen dessen Atomprogramm zum Inhalt hat, mag Zufall gewesen sein. Dennoch zeigt sie die schnöde Wirklichkeit, mit der die diplomatische Kampagne konfrontiert ist, die die Regierung von (US-Präsident George W.) Bush vor zwei Jahren startete: (...) die Kampagne hat bisher keine wesentliche Änderung des iranischen Verhaltens bewirkt."

"Frankfurter Allgemeine Zeitung"

"Der Konflikt enthält viel Zündstoff. Auf beiden Seiten werden nun alte Erinnerungen wach. Bevor die Vereinigten Staaten von Amerika zum 'Großen Satan' wurden, nahm nämlich Großbritannien wegen seiner Orient-Politik diese Position ein, insbesondere im Iran. London (und Russland) mischte sich in jenen Tagen in die iranischen Belange ein. Daher rührt der schlechte Ruf, den die Briten bis heute bei Iranern haben. Damals, vor und nach dem Ersten Weltkrieg, war Großbritannien freilich ungleich stärker als heute."

"Tages-Anzeiger" (Zürich)

"Nach der Verschleppung ihrer Soldaten findet sich die britische Regierung in einem Minenfeld wieder. Schritt für Schritt sucht sich London durchs diplomatische Terrain zu tasten. Ein Stück zu weit gegangen, und die Fronten verhärten sich gefährlich. Nicht weit genug, und der Prozess kommt zu einem nicht weniger fatalen Stillstand (...) Glücklicherweise haben die Briten bisher kühlen Kopf bewahrt. Glücklicherweise auch signalisierte Teheran erste Entspannungsbereitschaft, mit dem Angebot, das einzige weibliche Mitglied des verschleppten Kommandos freizulassen. Man kann nur hoffen, dass beide Seiten weiter Wege finden, die Krise unter Kontrolle zu halten - und sie Schritt für Schritt zu entschärfen."

"La Repubblica" (Rom)

"Die (...) Bilder wecken sofort Erinnerungen, die über ein Vierteljahrhundert alt sind: Die Erinnerung an die amerikanischen Geiseln, die 1980 über ein Jahr lang in Teheran zur Erpressung gefangen gehalten worden waren und am Ende auch Jimmy Carter, den damaligen US-Präsidenten, als Geisel erscheinen ließen, der sich tatsächlich von dieser demütigenden Erfahrung nie mehr richtig erholen konnte. Dagegen hat der britische Premier Tony Blair keinerlei Neigung, diese Erfahrung zu wiederholen, und daher zögert er selbst eine Woche nach der Festnahme der Soldaten nicht, die Angelegenheit zu verschärfen." (APA)