2006 konnte Montserrat Caballé ihr 50-jähriges Bühnenjubiläum begehen – ein Gespräch über Karriere, Riesenkonzerte und Freddie Mercury.
Wien – Wenn Montserrat Caballé bei der kommenden Staatsopernpremiere an der Seite von Natalie Dessay, Juan Diego Flórez und Carlos Álvarez auf der Bühne steht, treffen nicht nur zwei Sängergenerationen aufeinander – es weht auch ein Hauch von Operngeschichte durch das Haus am Ring.
Denn zu einem Ereignis, das wie ein Gipfeltreffen gefeierter Stimmen der Gegenwart anmutet, gesellt sich eine Künstlerin, die ihren Status als lebende Legende noch zu potenzieren vermag, indem sie unverminderte Tatkraft ausstrahlt. Wenn die berühmteste noch aktive Sängerin unserer Zeit am 12. April ihren 74. Geburtstag feiert, ist – wen wundert's? – ebenfalls eine Vorstellung der Regimentstochter angesetzt. Donizetti hatte ihr einst Glück gebracht: Mit dessen Lucrezia Borgia gelang Caballé über Nacht der internationale Durchbruch, als sie 1965 in der New Yorker Carnegie Hall ohne Probe für die legendäre Marilyn Horne einsprang. Im selben Jahr wurde sie an die New Yorker Met engagiert, debütierte als Marguerite in Gounods Faust und trat seither – zuweilen unter dem Etikett der "Callas-Nachfolgerin" – ihren Siegeszug rund um den Globus an.
Obwohl sie sich im Laufe der Zeit ein ungeheuer breites Repertoire mit Partien von Händel und Gluck, Salieri und Mozart bis hin zu Verdi, Wagner und Richard Strauss erarbeitete, wurde sie stets vor allem mit der Kunst des Belcanto, die sie auf unvergleichliche Weise beherrschte, und mit den dazugehörigen Werken von Donizetti, Bellini und Rossini identifiziert – eine Einschränkung, die nicht nur mit der öffentlichen Wahrnehmung, sondern auch mit den Angeboten der Operndirektionen zu tun hatte:
"Am Anfang sang ich nur Mozart und Strauss, aber plötzlich wollte man mich nur noch mit Belcanto hören", betont die Spanierin in sehr gutem Deutsch, in das sich manchmal temperamentvolle Ausrufe in ihrer Muttersprache oder englische Brocken mischen. „Man kann natürlich Nein sagen, und das habe ich auch oft gemacht. Trotzdem entwickelt sich eine Karriere in eine bestimmte Richtung."
Neues singen
Innerhalb dieser Richtung bewies die Sopranistin enorme Vielseitigkeit und Flexibilität, wurde immer wieder als Geburtshelferin für unbekannte oder in Vergessenheit geratene Stücke wie Rossinis Oper Il Viaggio a Reims bekannt, die mit der Caballé in den Achtzigerjahren auch in Wien auf dem Spielplan stand: "Es ist einfach eine schöne Möglichkeit, neue Opern zu singen. Sonst wäre es ein bisschen zu langweilig, immer das Gleiche zu machen."
Abwechslung fand die Diva auch bei Großveranstaltungen: "Ich habe oft auf größeren Plätzen wie in Athen oder Epidauros gesungen, das ist eine große Emotion. Extrem viel Publikum hatte ich, glaube ich, in Tel Aviv beim 75. Geburtstag der Stadt mit dem Israel Philharmonic und Zubin Metha, eine halbe Million hat zugehört, das war wie ein Ozean von Menschen!"
Mit Freddie
Solche Events sieht sie denn auch uneingeschränkt positiv: "Das bringt auch junge Leute hin, die sehen und denken können: Aha, das ist auch Musik! Und sie wollen vielleicht dann die Oper kennen lernen." Am meisten Aufsehen erregte aber ihre Zusammenarbeit mit dem Rocksänger Freddie Mercury, mit dem sie Barcelona sang und unter dem gleichen Titel ein ganzes Album herausbrachte.
Und auf nicht wenige schien der Funken übergesprungen zu sein, die Neugier war geweckt: "Als ich dann wieder in der Staatsoper gesungen habe, waren Backstage viele junge Leute mit Traviata- und Bohème-Aufnahmen, aber natürlich auch viele mit Barcelona. Claudio Abbado hat mit mir signiert, und er scherzte: 'Du signiert ja mehr Barcelona als ich Beethoven!'" An Mercury hat die Opernsängerin die besten Erinnerungen, betont die gute Zusammenarbeit, die sich auf ein gemeinsames Fundament stützen konnte:
"Freddie hatte Musik studiert und spielte sehr gut Klavier, und er hatte auch eine Gesangsausbildung als Bariton. Er hatte eine schöne Stimme, nicht groß, aber mit viel Kraft. Ich habe ihn oft gefragt, warum wir kein Opernduett miteinander machen, und er meinte immer: 'No, no, no – meine Fans würden mich umbringen!' Die Arbeit mit ihm war sehr professionell, eine Freude. Ich vermisse ihn sehr." Ihr Engagement betrachtet sie als durchaus förderlich für die Klassik. Allerdings will Caballé die medienwirksamen Seiten des Kunstbetriebs relativieren, wenn sie auch die Gefahren klar zu benennen weiß:
"Publicity habe ich nie gehabt, denn ein Sänger braucht eigentlich nur die Publicity, die er auf der Bühne macht. Die Musik selbst ist ganz ernst und seriös. Heute ist es aber schwer, weil es viele junge Sänger gibt und man schnell in die Karriere geht. Das ist gefährlich, weil sich die Stimme entwickeln muss und man zehn oder zwölf Jahre studieren sollte, um das Repertoire kennen zu lernen."
Einen Beitrag für die Jungen leistet sie beim nach ihr benannten Gesangswettbewerb und bei Meisterkursen: "Mein Traum wäre, eine Opernschule zu gründen." Die Frage nach den Voraussetzungen für ihre lange Karriere beantwortet sie schlicht mit dem Verweis auf gute Technik: "Wichtig ist der Atem, die Ahnung für die Körpermuskulatur, dass man die Farbe in der Stimme nicht verliert – und dass man weiß, wann man welches Repertoire singen darf. Ich singe ja, seit ich acht Jahre alt war."
Dass sie diesmal nicht Nein gesagt hat, hat wohl auch mit der Lust auf Neues zu tun: "Mich freut, etwas zu entdecken, das lange geschlafen hat, und es zum Publikum zu bringen. Es erwartet das von mir, seit Jahren." (Daniel Ender / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 30.3.2007)