Wien - Seit genau einer Woche hat nun auch der Physiker Anton Zeilinger sein eigenes Internet-Tagebuch. "My first blog, finally" lautet der erste Eintrag auf quantinger.blogspot.com , wo Österreichs wohl bekanntester Wissenschaftler regelmäßig über Quantenphysik schreiben und womöglich auch seine ironische Ader ausleben will: So kann man aktuell ein ausführliches Interview Zeilingers über Schrödingers Katzen-Paradoxon nachlesen und hat eine gute Ausrede, wenn man es nicht versteht: Das Interview erschien nämlich auf Estnisch und trägt den schönen Titel "Kvantmaailma üllatused pakuvad ka uusi rakendusi".

Zeilingers Blog ist einer von zurzeit rund 55 Millionen, täglich kommen geschätzte 100.000 neue dazu. Und immerhin ein paar Tausend stammen von Forschern, die auf diese Weise mit einer breiteren Öffentlichkeit als der ihrer unmittelbaren Kollegenschaft kommunizieren wollen.

Einer der engagiertesten und aktivsten Wissenschafts-Blogger weltweit ist Bora Zivkovic, ein aus Serbien stammender US-Zoologe, der mehrere eigene Weblogs betreibt. Obwohl seine Dissertation noch immer nicht abgeschlossen ist, brachte er es kürzlich zu einer längeren Geschichte im renommierten Wissenschaftsmagazin Nature: Zivkovic hat nämlich kürzlich die erste Wissenschaftsblogger-Konferenz mitorganisiert und eine erste Anthologie zum Thema Science-Blogs ("The Open Laboratory") in Buchform herausgegeben.

Im Gespräch mit dem Standard sieht Zivkovic für das Parademedium des Web 2.0 vielfältige Einsatzmöglichkeiten zur besseren Kommunikation von Wissenschaft: "In den USA werden Blogs bereits im Unterricht eingesetzt, sie dienen Zeitschriften als zusätzlicher Popularisierungskanal und sie haben sich auch im Kampf mit den Kreationisten bewährt." Einem Blogger sei es sogar gelungen, dass ein unqualifizierter, von George W. Bush protegierter Nasa-Wissenschafter gefeuert wurde.

Kommerzielles Interesse würden die wenigsten Blogger haben. Und auch sein eigenes Credo lautet: "Ich blogge, weil ich das einfach gerne mache." Bis jetzt sei es bloß Spaß, aber auch das kann sich ändern. Für die Zukunft erwartet sich Zivkovic durch Blogs nämlich eine ähnlich radikale Umwälzung des wissenschaftlichen Schreibens und Publizierens wie durch Open Access-Zeitschriften, die allen gratis zugänglich sind. Aber allzu weit in die Zukunft will er sich mit den Prognosen nicht vorwagen, denn "online sind drei Jahre eine Ewigkeit". (Klaus Taschwer, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 30. März 2007)