Zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage hat ein Wiener Universitätssenat eine Frau für den Posten des Rektors vorgeschlagen. Auf der Akademie am Schillerplatz wurde die gebürtige Britin Clémentine Deliss vom Universitätsrat abgelehnt, obwohl sie im Senat 17 Stimmen erhalten hatte, der bisherige Amtsinhaber nur elf. An der Boku hat der Senat Ingela Bruner, Chefin des Salzburger Wissenschaftsrats, an die erste Stelle gereiht. Der bisherige Rektor scheint zum Unterschied von der Akademie im Dreiervorschlag nicht einmal auf.

Ein klares Signal. Aber das 2003 in Kraft getretene Gesetz gibt dem Uni-Rat das Recht, einen Dreiervorschlag des Senats zurückzuweisen. Oder die Entscheidung bis zum Amtsende des derzeitigen Uni-Chefs hinauszuzögern - bis zum Herbst also. Die Chance, dass es tatsächlich bald an einer der traditionellen Universitäten eine Frau an der Spitze gibt, ist schwer zu beurteilen. Im Uni-Rat haben sowohl ein Pharma-Konzern als auch die Zucker- und Forstwirtschaft großen Einfluss. "Gender" ist ihnen eher fremd.

An diesen Entscheidungen jedoch lässt sich ablesen, ob die Praxis, die dem neuen Uni-Gesetz folgt, die Autonomie wirklich stärkt oder ob sie über das in der Industrie geläufige Instrument des Aufsichtsrats in Wirklichkeit eine fremdbestimmte Selbstständigkeit ist.

Nehmen wir das Beispiel der Akademie der bildenden Künste. Grob gesprochen tobt ein Machtkampf zwischen den Verfechtern des Meisterklassen-Prinzips und jenen, die nach dem "Bologna-Prozess" auch die Kunstakademie den Unis angleichen wollen - mit Bachelor, Magister und Doktor. Der wiederbestellte Stephan Schmidt-Wulffen verficht Bologna. Und der Ratsvorsitzende, der Industrielle Alexander Kahane, ebenso.

Die Frage ist: Darf der bestimmende Einfluss eines Industriellen so weit gehen, dass eindeutige Mehrheiten für andere (in diesem Fall traditionelle) Konzepte ignoriert werden?

An der Boku gibt es diese Fronten nicht. Die "Bologna-Architektur" ist mittlerweile unumstritten. Die Opposition gegen den amtierenden Rektor richtete sich vor allem gegen dessen Forcierung eines neuen Standorts dieser mittlerweile über eine landwirtschaftliche Uni weit hinausgewachsenen Hochschule im niederösterreichischen Tulln.

Kann sich der Uni-Rat der Boku also mit einer Frau anfreunden oder nicht? Das ist die eigentliche Frage, den ihr im Web publiziertes Konzept unterscheidet sich nicht wesentlich von dem der derzeitigen Führung. Bruner, gebürtige Schwedin und Tochter eines kanadischen UNO-Beamten, ist international aufgewachsen und multikulturell erfahren. Sicher ein Vorteil, aber kein konzeptuell entscheidender zu dem aus Deutschland stammenden Rektor Hubert Dürrstein.

Die Boku hat sich noch nicht entschieden und die Fragen an die Kandidatinnen beim öffentlichen Hearing waren von Fairness getragen. Unverkennbar ist aber auch an den Universitäten genauso wie in anderen öffentlich relevanten Institutionen: das Gfrett der mächtigen Männer mit aufstrebenden Frauen.

Abgesehen von wenigen (im Fall der Monika Lindner von der Regierungsmacht eingesetzten) Frauen wird versucht, die weibliche Qualifikation durch neue Argumente zu schwächen. Im ORF beispielsweise über die Tatsache, dass immer öfter Journalistinnen mit Pressereferenten von Parteien oder Regierungsstellen liiert sind. Im Forschungsbetrieb muss mittlerweile bei Uni-Wechsel auch ein Posten für den/die Lebensgefährten/in beschafft werden. International üblich, in Österreich in den Anfängen.

An den hohen Schulen, wo es zwar mit Ilse Kögler an einer Privat-Uni in Linz bereits eine Rektorin gab, sind an die Spitze drängende Frauen außerdem ein Novum. Es ist deshalb zu begrüßen, dass der Boku-Senat zum Unterschied von der Akademie die Reihung öffentlich bekannt gemacht hat. Denn die Uni-Reform hätte wenig Sinn, würden prinzipielle Entscheidungen nur im stillen Kämmerlein fallen. (Gerfried Sperl/DER STANDARD-Printausgabe, 31.3./01.04.2007)