Perfide Zerstörung
Doch bei etwa zehn Prozent wird die Leberentzündung chronisch, da das Virus sich immer weiter vermehrt. Vor allem jüngere Menschen sind gefährdet. Da oft nur unspezifische Beschwerden wie Abgeschlagenheit, Appetitlosigkeit und Druckgefühl im Bauch auftreten, bleibt die chronische Hepatitis B (CHB) oft unbemerkt. In dieser Zeit kann Leberzirrhose entstehen.
Hepatitis B ist die weltweit häufigste Virusinfektion. Die Weltgesundheitsorganisation WHO schätzt, dass in Österreich über 40.000 Menschen mit CHB leben und bis zu 5000 sich jedes Jahr neu infizieren. HBV gilt im Gegensatz zum Hepatitis-C-Virus als hochansteckend. Es reichen geringste Mengen davon im Blut, Speichel oder Sperma, um die Kontaktperson über eine mikroskopisch kleine Verletzung zu infizieren. Am häufigs- ten erfolgt die Infektion durch ungeschützten Sexualverkehr.
Das Virus verankert sich im Genom der Leberzelle und vermehrt sich dort. Dabei kommt es zu zwei Verlaufsformen: die durch geringe Virusvermehrung und günstigere Prognose gekennzeichnete (HBeAG-negativ genannt) und die mit einer hohen Virusvermehrung und fast immer ernst zu nehmender fortschreitender Lebererkrankung verbundene (HBeAg-positiv). Bei geringer Viruskonzentration im Blut kann in vielen Fällen erst einmal abgewartet werden.
Anderenfalls stehen zur antiviralen Therapie inzwischen mehrere Medikamente zur Verfügung. "Sie alle können die Virusinfektion im Prinzip nicht endgültig ausheilen, aber ihr Ziel ist es, die Leberentzündung zu normalisieren, das Virus aus dem Blut zu entfernen und es quasi wie nach einer ausgeheilten akuten HBV in einen Winterschlaf zu versetzen", erklärt der Hepatitis-Experte Wolfgang Vogel von der Medizinischen Universität Innsbruck. Dadurch wäre der Patient auch nicht mehr für andere ansteckend.
Therapie-Optionen
Besonders für HBeAg-positive Patienten kommt seit Jahren in erster Linie Interferon alpha zur Anwendung. Es macht die mit Viren infizierten Zellen für das Immunsystem leichter angreifbar. Die Therapie dauert bis zu zwölf Monate. Allerdings eignet sich Interferon nicht bei bereits begonnener Zirrhose. Außerdem ist die Therapie nebenwirkungsreich. Immerhin 30 bis 40 Prozent der Patienten erreichen mit Interferon aber das Therapieziel.
Der große Rest muss auf die zweite Medikamentenklasse ausweichen, die Nukleosidanaloga. Die allgemein gut verträglichen Wirkstoffe dringen in die infizierte Leberzelle ein und bauen sich anstelle von Substraten, die für den Reproduktionsprozess des Virus notwendig sind, in die Virus-DNA ein und verhindern dadurch die korrekte Vervielfältigung. Lange Zeit war das Nukleosidanalogon der ersten Generation, Lamivudin, der einzige Vertreter. Etwa 40 Prozent der Patienten sprechen gut an. Nachteil: Lamivudin bildet bei jedem Zehnten resistente Viren, sodass es nicht mehr wirkt und stattdessen zu einem Wiederaufflammen der Erkrankung kommt. Erst die neueste Generation mit dem erst vergangenen August zugelassenen Entecavir und dem voraussichtlich im Mai in Österreich zur Zulassung kommenden Telbivudin von Novartis bringt deutliche Verbesserungen.
Neue Generation
In der Globe-Studie, in der die Wirksamkeit von Telbivudin und Lamivudin beobachtet wurde, senkte Telbivudin bei 60 Prozent der der HBeAg-positiven Patienten die Virusmenge unter die Nachweisgrenze, bei Lamivudin war dies bei 40 Prozent der Fall. Bei HBeAg-negativen Patienten betrug die Rate 88 bzw. 71 Prozent. Zudem bildeten sich bei nur drei Prozent der Telbivudin-Patienten resistente Viren. Außerdem darf Telbivudin als einziges Nukleosidanalogon auch während der Schwangerschaft eingenommen werden. In einer anderen Studie schnitt auch Entecavir im Vergleich zu Lamivudin in den wesentlichen Parametern deutlich besser ab. "Im Gegensatz zu Interferon müssen Nukleosidanaloga über mehrere Jahre hinweg, möglicherweise sogar lebenslang eingenommen werden", sagt Vogel. Wird das Arzneimittel abgesetzt, kann sich innerhalb weniger Wochen ein Krankheitsausbruch entwickeln.