Motivation
"Die traditionellen Hintergründe waren früher selbst auferlegte Buße, ein Gelübde, die Hoffnung von einer Krankheit geheilt zu werden oder religiöse Vertiefung", erklärt Andreas Remmel, Psychologe, Internist, Facharzt für Psychotherapeutische Medizin und Ärztlicher Direktor des Psychosomatischen Zentrums Waldviertel die klassischen Pilgermotive. Was diese einer Meinung nach abgelöst oder erweitert hat: "Die Menschen möchten Grenzen erfahren, Anstrengungen meistern und vor allem sich selbst finden und entdecken. Das kann ich indem ich den Pilgerweg gehe und aus der Routine, aus gewohnten Mustern aussteige, mir eine Auszeit nehme nur für mich selber."
Insofern sei das Wandern auch eine Reise nach innen: Eine Möglichkeit über das Gehen, über die Anstrengung in der Natur sich selbst besser kennzulernen.
'Batterien aufladen'
Ein wesentlicher Punkt dabei: Viele Menschen sind, manchmal auch durch ihren sitzenden Beruf, in einem körperlich-seelischen Ungleichgewicht. "Wenn ich einen Pilgerweg gehe, bekomme ich ein Gefühl dafür, wann ich Pausen brauche, wann ich Hunger kriege, wann es notwendig ist mich auszuruhen." Man erlebt die Phasen von Erschöpfung und Regeneration ganz bewusst und nimmt die eigenen Körperrhythmen wieder wahr und auch die Grenzen.
Abwehrkräfte stärken
Wie bei allen körperlichen Anstrengungen gibt es auch beim Pilgern ein 'Zuviel', "das heißt wenn ich das zu stark und zu intensiv mache, kann ich es auch überdrehen", warnt Remmel. Wichtig ist es vielmehr überhaupt wieder in den Modus zu kommen, der körperliche Anstrengung ermöglicht: "Unser gesamtes Herz-Kreislaufsystem, unseren gesamten Körper wieder fordern. Das führt zu einer Stärkung, zu einer Resistenz unserer eigenen Schutzmechanismen." Auch die Änderung der Ernährung, die damit verbunden ist, könne sich positiv auswirken.
"Viele Menschen, die so einen Pilgerweg gegangen sind, verändern danach ihren Lebensstil und ihre Lebenshaltung", nennt Remmel einen wichtigen Punkt für das positive Nachwirken des Pilgerns in den Alltag.
Stress abbauen
"Die meisten Menschen sind dadurch gestresst, dass sie in bestimmten Lebensbereichen ein 'Zuviel' haben und es nicht beantworten können. In der Regel ist es für uns westliche Menschen so, dass wir zu wenig Ausgleichsbewegung, zu wenig Natur erleben, zu wenig spirituelle Erfahrungen haben. Wenn man sich dafür mehr Zeit und Raum nimmt, kann man die eigenen Fähigkeiten und Ressourcen auch auffüllen und hat dadurch auch eine höhere Stressresistenz für andere Lebensbereiche. Und das vor allem deshalb, weil ich beim Pilgern auch Erfahrungen mache, wie ich mit ungewohnten Anforderungen, zum Beispiel körperlichen, umgehen kann", erklärt Remmel.
Dann sei es einfacher Anforderungen zu beantworten, die sich im beruflichen oder privaten Umfeld ergeben. Insofern könne Pilgern auch zu einer Stressresistenz führen.
Achtsamkeit