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Leuchttürme bauen statt auf Planierraupen zählen.

AP Photo/Heribert Proepper
Wenn man über die Arbeitswelt der Zukunft spricht, kommt man an den Thesen von Thomas Friedman nicht vorbei: In seinem Buch "Die Welt ist flach" beschreibt er den unaufhaltsamen Trend, wonach in einer grenzenlosen Weltwirtschaft das Kapital sich seine Arbeit dort sucht, wo es sich am profitabelsten entwickeln kann.

Besonders deutlich sieht man dies gegenwärtig an Indien, wo nicht mehr nur einfache Produktion stattfindet, sondern auch zunehmend komplexere Tätigkeiten durchgeführt werden. Der Steuer_berater aus Boston lässt die Steuererklärungen von Fachkräften in Indien vorbereiten, der Unternehmensberater bekommt von dort über Nacht seine Powerpoints, und es ist teilweise sogar auch schon preiswerter, in Bangalore zu forschen und zu entwickeln. Durch Telekommunikation und Logistik haben wir eine grenzenlose Welt, die sich in ihrer Tendenz zur Nivellierung auf das kostengünstigste Niveau durch nichts aufhalten lässt: Wenn China Exportquoten für Kleidung bekommt, dann wird die Kleidung einfach über Bangladesch geleitet. Auch protektionistische Maßnahmen werden hier nichts ändern. So weit die klassische Meinung, und schließlich kann Friedman mit seiner imposanten Auflage nicht so falsch liegen.

Trotzdem: Die Welt wird nicht flach werden, und zwar wegen unternehmerischer Entscheidungen, die nach der reinen Kostensenkungswelle auf strategische Differenzierung hinauslaufen müssen. Anders formuliert: Das Erfolgsrezept wird lauten: "anders sein". Es wird also darum gehen, Leuchttürme zu bauen, anstatt auf Planierraupen zu zählen.

Diese relativ abstrakte Logik hat ganz klare Konsequenzen, wie man an Beispielen sieht: Das alte (verflachende) Denken führt beim Thema Diversity dazu, dass im Extremfall alle Unternehmen in ihrer Belegschaft die Unterschiedlichkeit der Bevölkerung abbilden (müssen) und sich so immer mehr annähern. Nach der Anti-Flat-These bekommen wir eine Diversity im Sinne von Unterschiedlichkeit zwischen (!) den Unternehmen. Im Extremfall beschäftigt ein Unternehmen überwiegend ältere Männer, ein anderes jüngere Frauen, und wieder ein anders hat eine völlig durchgemischte Belegschaft.

Das alte (verflachende) Denken in der Bildungspolitik sorgt europaweit für ähnliche Bildungsabschlüsse (Stichwort Bachelor-Abschluss). Nach der Anti-Flat-These werden Länder und Regionen versuchen, möglichst durch ihr Bildungssystem einen Wettbewerbsvorteil zu erringen.

Hier werden wir unter anderem wieder eine Renaissance der „alten“ Fünf-Jahres-Programme an Universitäten bekommen.

Das Ganze wird dazu führen, dass wir nicht so etwas wie eine „einheitliche“ (verflachte) Arbeitswelt bekommen werden. Wir bekommen Vielfalt und Unterschiedlichkeit. Deshalb wird Thomas Friedman (oder ein anderer Autor) bald ein Buch schreiben mit dem Titel "Die Welt ist doch nicht flach – zum Glück!". (Christian Scholz*, Der Standard, Printausgabe 7./8./9.4.2007)