Kate Allen läuft am Strand bei Geelong, Victoria. Geschwommen wird freilich nicht im erfrischenden Südmeer, sondern im Pool.

Foto: Watson
In der Küche hängen zwei Uhren an der Wand, die linke tickt quasi original und zeigt nach australischer Zeit 12 Uhr Mittag an, auf der rechten ist es 4 Uhr in der Früh. Die rechte Uhr ist sozusagen Österreicherin und hintennach. Kate Allen, die Austro-Australierin oder Australo-Österreicherin ist, und ihr Tiroler Mann Marcel Diechtler haben die vergangenen Monate in der Highstreet in Belmont verbracht, im Haus ihrer Tante ("bei der Post ums Eck, die zweite Einfahrt auf der linken Seite"). Hier, wo beinah vor der Tür die berühmte Surf Coast beginnt, ist der österreichische Winter ein australischer Sommer gewesen, hier hat Allen "ideale Trainingsbedingungen vorgefunden".

Im Wohnzimmer steht ein Radergometer, über einem Sessel hängt ein schwarzes Polo-Shirt mit dem Aufdruck "Austria". Allen bekam es kürzlich von Markus Rogan geschenkt, sie hatte ihm in Melbourne die Daumen gedrückt, woraufhin er WM-Dritter geworden war. Die beiden kennen einander seit 2004 relativ gut, die Olympischen Spiele in Athen waren durchaus verbindend, der Rückenschwimmer hatte zweimal Silber geholt, die Triathletin einmal Gold. Nun steht Allen (36) wie Rogan schon mitten in der Vorbereitung für Peking 2008, dort will sie sich und ihren Erfolg bestätigen. "Ich kann nicht behaupten, dass ich dort wieder gewinne", sagt sie, "aber ich will dort eine Medaillenkandidatin sein."

Schwierige Quali

Vorerst muss sie sich qualifizieren, das allein scheint schwierig genug nach einem 49. Platz, mit dem Allen vor Kurzem in Mooloolaba im australischen Queensland in den Weltcup startete. Sie ist nach zwei Ironman-Saisonen wieder auf die olympische Kurzdistanz umgestiegen, auch in Peking werden nicht mehr als 1,5 Kilometer zu schwimmen, 40 Kilometer auf dem Rad zu fahren und 10 Kilometer zu laufen sein. Ihr großes Ziel, einen Top-3-Platz beim dreimal so harten, berüchtigten Ironman auf Hawaii, hat sie mit zwei fünften Plätzen knapp verpasst, heuer wird sie um Hawaii einen Bogen machen. "Die Belastungen sind nicht vergleichbar. Ich bin froh, dass ich im Training nicht mehr sieben Stunden radeln und nachher noch zwei Stunden laufen muss."

In Geelong, einer 240.000-Einwohner-Stadt, gibt es zwei und damit ebenso viele 50-m-Pools wie in Wien, bald kommt ein drittes dazu, Geelong hat das transportable WM-Becken von Melbourne gekauft. Allen steht täglich um 6 Uhr auf, um zwei Stunden zu schwimmen, am Nachmittag läuft und/oder radelt sie noch zwei bis drei Stunden. Gelaufen wird nicht selten am Strand bei Point Addis, Marcel und oft auch Mickey sind mit von der Partie - Mickey ist die Schäferhündin der Tante und eine herzensgute Seele, solange sie nicht in die Nähe eines anderen Hundes kommt. Am 15. April steht in Ishigaki, Japan, der zweite Weltcup auf dem Programm, bis dahin will sich Allen schon merklich verbessert haben. Saisonziele sind EM (Juni, Kopenhagen) und WM (September, Hamburg), dort und bei Weltcupevents wie jenem in Kitzbühel (Juli) wird es dann auch um die Olympia-Qualifikation gehen.

Triathlon boomt in Österreich, sowohl die olympische Disziplin als auch der Ironman. Früher gab es Podersdorf und die Donauinsel, heute versammeln auch Wettbewerbe in Klagenfurt und St. Pölten tausende Teilnehmer und zigtausende Zuschauer, da und dort wird vom ORF live übertragen. Allen hat mit dem Olympiasieg ihren Teil beigetragen und auch Konkurrentinnen Beine gemacht. Mit Eva Dollinger und Tanja Haiböck dürfen sich zwei weitere Triathletinnen berechtigte Hoffnungen machen, das Limit für Peking zu schaffen.

Was Gold beweist

"Sie sehen nicht mich als Vorbild", sagt Allen, "aber sie haben ihre Einstellung geändert, weil ihnen meine Goldene bewiesen hat, was möglich sein kann, wenn man über Österreich hinaus denkt."

1995 war Allen auf Weltreise, in Kitzbühel ist sie hängen geblieben. Ihren jetzigen Ehemann Marcel hatte sie im Hallenbad kennen gelernt, der Triathlon-Trainer erkannte und forcierte ihr Talent. Seit 2001 ist die Diplomkrankenpflegerin eine vollprofessionelle Sportlerin, nach den Olympischen Spielen 2008 soll Schluss sein mit dem Leistungssport. Dann wollen sie und Marcel, der angehende Unfallchirurg, ihre Familie vergrößern. "Wenn ich ein Kind habe", sagt Allen, "ist es mir lieber, es geht in Österreich zur Schule." Die Wohnung in Innsbruck gibt es jetzt schon, ab Mitte April liegt Allens Lebensmittelpunkt ein halbes Jahr lang wieder in Tirol. Auch in der Küche dieses Mittelpunkts hängen zwei Uhren an der Wand, noch stehen sie still, doch wenn die linke bald einmal 12 Uhr Mittag zeigt, zeigt die rechte 8 Uhr am Abend. (Fritz Neumann aus Geelong, DER STANDARD, Printausgabe, Samstag 7. April 2007)