Die Bundesrepublik Nigeria in Westafrika grenzt an Benin, Niger, Tschad und Kamerun.

Wie archäologische Funde zeigen, gehen die ersten menschlichen Ansiedlungen im heutigen Nigeria auf rund 9.000 v. u. Z. im Südwesten und Südosten. Aus der Zeit von vor mehr als 2.000 Jahren stammen zudem Skulpturfunde der Nok in Zentralnigeria.

Im nördlichen Teil des Landes entwickeln sich im 9. Jahrhundert aus den Marktzentren entlang der Karawanen-Routen zwischen West- und Nordafrika (vorwiegend Handel mit Elfenbein und Kolanüssen) in der Savannenregion am Tschadsee die Dynastie der Kanem-Bornu. Sie nimmt eine Schlüsselposition im Transsahara-Handel ein und treibt insbesondere mit Südnigeria rege Austauschgeschäfte. Über 800 Jahre lang bestimmt diese Dynastie das Geschehen in dieser Region, und tritt im 11. Jahrhundert zum Islam über.

Im 11./12. Jahrhundert entstehen westlich des Kanem-Bornu-Reiches im Norden des heutigen Nigerias die Stadtstaaten der Haussa, darunter Kano, Katsina und Gobir. Im Südwesten Nigerias entstehen Königreiche der Yoruba, unter denen besonders die Städteföderationen Oyo und Ife zu überregionaler Bedeutung aufsteigen. Als "Spross" von Ife entsteht wenig später im Süden das Königreich Benin, das unter dem Herrscher Ewuare Mitte des 15. Jahrhunderts den Höhepunkt seiner Macht erreicht.

Europas Einflussnahmen

Zu dieser Zeit erreicht auch das Christentum das heutige Nigeria. 1472 errichten die Portugiesen einen Handelsstützpunkt im heutigen Lagos. Von dort wird später auch die Missionierung ihren Anfang nehmen.

Seit dem 16. Jahrhundert führen Portugiesen wie Engländer erste Sklaventransporte durch, letztere rauben die Menschen besonders für die Zuckerrohrplantagen in der Karibik. Jährlich werden rund 22.000 Sklaven verschifft. Im 18. und frühen 19. Jahrhundert führt der Menschenhandel zu inneren Konflikten vor allem in Yorubaland und Benin, was zum Niedergang dieser Reiche führt.

Zwischen 1804 und 1830 kommt es vermehrt zu militanten Bewegungen gegen die zunehmende Einflussnahme der Europäer, vor allem im Westen des heutigen Sudan. Der muslimische Gelehrte Osman dan Fodio erklärt den Haussa-Herrschern der Dschihad, denn sie sollen vom Islam abgewichen sein. Die Haussa-Staaten werden erobert und das Kalifat von Sokoto, dessen Gebiet den überwiegenden Teil Nordnigerias und den Norden Kameruns umfasst, gegründet.

Ab Mitte des 19. Jahrhunderts folgen zahlreiche Gründungen von Handelsniederlassungen der Briten, Deutschen und Franzosen, 1852 wird ein Liniendienst zwischen Liverpool und der westafrikanischen Küste etabliert.

1885 erklären die Briten den Niger-Bezirk zum Protektorat, die Royal Niger Company erhält 1886 eine Charta, die ihr die Verwaltung des Landesinneren gewährt.

1861 besetzen die Briten angesichts zunehmender Konflikte Lagos, um sich das Gebiet als Einflussbereich zu sichern. Zahlreiche Kriege im Yorubaland, die Handel und Mission stören, verstärken die britische Kontrolle dort. 1896 wird das gesamte Yorubaland südlich von Ilorin unter britische Kontrolle gestellt.

Gouverneur Lord Frederick Lugard in China.

1891 erklärt Großbritannien das Nigerdelta zum Oil-Rivers-Protektorat, nach Bestrebungen der Niger Company, den Handel zu monopolisieren. Rund neun Jahre später dehnt es seine Kolonialbesitzungen nach Nordnigeria aus und erklärt das Kalifat von Sokoto und Borno zum Protektorat Nordnigeria. 1914 werden der Norden und Süden vereinigt und zur britischen Kronkolonie. Der britische Kolonialgouverneur Frederick Lugard testet das bereits in Indien erprobte Prinzip zur Herrschaftssicherung und Verwaltung, die "indirekte Herrschaft", auch in Nigeria: traditionelle Autoritäten genießen kleine Privilegien und erklären sich dafür zur Loyalität mit den Briten bereit.

1923 kommt es zu ersten antikolonialen Bewegungen durch die Nigerian National Democratic Party (NNDP), 1933 folgt die Nigerian Youth Movement (NYM), mit Obafemi Awolowo und Nnamdi Azikiwe. Sie verlangen verstärkt politische Partizipation.

1944 gründet Azikiwe den National Council of Nigeria and the Cameroons (ein Teil der ehemaligen deutschen Kolonie wird nach dem Ersten Weltkrieg von Großbritannien mitverwaltet) und führt die Unabhängigkeitsbewegung an. Innerhalb des NCNC kommt es jedoch bald zu Spannungen zwischen Vertretern aus Südost- und Südwestnigeria (vor allem Ibo einerseits und Yoruba andrerseits). Erstere werden von Azikiwe vertreten, letztere durch die Action Group (AG) von Awolowo. Auch der Norden wird zunehmend politisch aktiv und seine Eliten gründen 1949 den Northern People’s Congress (NPC). Ihm gehört unter anderem Abubakar Tafawa Balewa an.

1952/54 erhalten die nigerianischen Parteien durch eine temporäre Verfassung mehr Teilhabe an der politischen Macht. Eine Verfassung für ein unabhängiges Nigeria wird ausgearbeitet. Der Versuch des Südens, bereits 1956 die politische Unabhängigkeit zu erlangen, scheitert am Veto des Nordens.

"Die Erste Republik" – Kurze Zeit der politischen Freiheit

Nach den Wahlen 1959 bilden NCNC und NPC eine Koalition mit Balewa als Premier und Azikiwe als Präsident. Die offizielle Unabhängigkeit erreicht das Land am 1. Oktober 1960.

Feiern zum 44. Jahr der politischen Unabhängigkeit in Lagos.

Die Erste Republik endet im Jänner 1966 mit einem Militärputsch und der Ermordung des Premierministers und weiterer Regierungsmitglieder. Die Herrschaft fällt im Gegensatz zu den ersten sechs Jahren der Unabhängigkeit an den Süden.

Doch bereits nach wenigen Monaten reißt der Norden die Macht wieder an sich. Im Mai 1967 kündigt General Yakubu Gowon die Auflösung der vier administrativen Einheiten des Staates an. Das föderale Staatssystem setzt sich nun aus 12 Bundessstaaten zusammen.

Daraufhin erklären die Ibo, unterstützt von Frankreich, die die Südostregion mit ihren Erdölvorkommen beherrschen, die Unabhängigkeit und rufen die "Republik Biafra" aus. Es folgt ein 30-monatiger Bürgerkrieg, der rund zwei Millionen Menschen das Leben kostet. Die Ibos verlieren ihren Kampf um die Sezession.

General Yakubu Gowon verspricht nach dem Krieg Wiederaufbau und Rehabilitation. Auch will er Nigeria in eine zivile Regierung zurückführen. 1975 wird jedoch auch er aus dem Amt geputscht, General Murtala Muhammed übernimmt die Macht, kommt jedoch bereits sechs Monate danach bei einem gescheiterten Gegenputsch ums Leben. Olusegun Obasanjo übernimmt sein Amt. Er erweitert die föderale Struktur auf 19 Bundesstaaten und ernennt nach den Wahlen 1979 im Oktober Shenu Shangari zum neuen Präsidenten. Eine 13-jährige Militärherrschaft findet somit ihr Ende. Wie so manche seiner Vorgänger will sich auch der neue Präsident um eine Konsolidierung der Demokratie bemühen.

Doch auch die "Zweite Republik" bringt Nigeria keine langfristige Stabilität. Nach offensichtlichen Wahlmanipulationen und Korruptionsvorwürfen an die politische Führungsschicht kommt es am 31. Dezember 1983 zu einer neuerlichen Machtübernahme der Militärs durch einen Staatstreich der Offiziere. Genereal Muhammadu Buhari wird neuer Regierungs- und Staatschef. Seine Amtszeit währt allerdings nicht lange: Er wird im August 1985 von Badamasi Babangida von der Macht verdrängt.

Die "Dritte Republik"

Babangida kündigt die Rückkehr zu einer gewählten Regierung für das Jahr 1990 an. Dieser Zeitpunkt wird später auf 1993 verschoben. Im Oktober 1989 führt Babangida per Dekret ein Zweiparteiensystem (mit der National Republican Convention (NRC) und der Social Democratic Party (SDP) ein. Dies währt bis 1991. Im selben Jahr lässt er den Amtssitz von Lagos nach Abuja, der zur Entlastung von Lagos in der geografischen Mitte des Landes neu errichtet wird, verlegen. Und zur Ausbalancierung der föderalen Struktur kommen während seiner Amtszeit zu den bisher 19 Bundesstaaten elf weitere hinzu.

Als besonders problematisch während seiner Amtszeit erweist sich das stetig wachsende Haushaltsdefizit, die Lasten der Haushaltsverschuldung und Inflation, hohe Arbeitslosigkeit, Korruption und das Fortbestehen des Tribalismus. Babangida demonstriert seinen Willen zur öffentlichen politischen Partizipation, als er eine nationale Debatte zur geplanten ökonomischen Reform eröffnet. Die Bevölkerung spricht sich klar gegen ein Maßnahmenpaket auf Basis von Krediten des Währungsfonds aus.

Während der historischen Wahlen am 12. Juni 1993 zeichnet sich ein deutlicher Wahlsieg des Yoruba-Geschäftsmanns und Medientycoons M.K.O. Abiola ab – in den Augen der Militärs der falsche Mann. Babangida lässt die Wahlen annullieren und übergibt erst nach heftigen Unruhen mit bis zu hundert Toten die Macht an eine zivile Marionettenregierung. Jene sollte die Demokratisierung des Landes vorantreiben. Eine solche wird jedoch im November 1993 jäh durch den Putsch von General Sani Abacha gestoppt.

Repressionen

Während der brutalen Militärdiktatur unter Abacha erlebt Nigeria fünf Jahre lang eine bisher im Land unbekannte Repressions- und Gewaltwelle mit öffentlichen Massenhinrichtungen. Regimekritiker wie Abiola oder Obasanjo werden inhaftiert. Am 10. November 1995 wird der Schriftsteller und Menschenrechtsaktivist Ken Saro-Wiwa, Vorsitzender der Organisation zur Rettung der Ogoni, mit acht seiner Mitstreitern nach einem mehrmonatigen Schauprozess gehängt.

Ab 1996 kommt es zu wiederholten Spannungen zwischen Nigeria und Kamerun im gemeinsamen Grenzgebiet um die Bakasi-Halbinsel, wo große Erdölvorkommen vermutet werden.

Am 8. Juni 1998 stirbt Abacha an Herzversagen. Abdulsalam Abubakar wird sein Nachfolger, er kündigt die Demokratisierung des Landes an. Obasanjo und andere politische Gefangene werden freigelassen. Kurz danach stirbt auch der populäre Oppositionelle Abiola. Es brechen in den Metropolen Lagos und Abeokuta Unruhen aus, 60 Menschen werden getötet. Die aufgebrachen Massen sind davon überzeugt, dass Agenten des Militärregimes den 61-Jährigen ermordet haben.

Das neue Jahrtausend

Im Februar 1999 kommt es nach 15 Jahren Militärherrschaft zu den ersten freien Präsidentschaftswahlen ohne erhebliche Behinderungen. Obasanjo von der PDP (People’s Democratic Party) gewinnt 62,8 Prozent der Stimmen.

2002 spricht der Internationale Gerichtshof das Gebiet um die Bakasi Halbinsel Kamerun zu, 2006 regelt ein Abkommen zwischen beiden Ländern den Rückzug Nigerias.

Obasanjo wird 2003 bei umstrittenen Wahlen wiedergewählt. Er genießt besonders im Ausland hohes Ansehen. Innenpolitisch ist er hingegen umstritten, da er dem Militär entstammt.

Ab 2004 kommt es im ölreichen Nigerdelta zunehmend zu Unruhen und Anschlägen sowie Geiselnahmen durch Bewegungen, wie der "für die Emanzipation des Nigerdeltas". Diese setzt sich unter anderem dafür ein, dass die Gewinne aus der Erdölförderung in die Ölregionen investiert werden. Präsident Obasanjo geht zunächst mit militärischen Einsätzen gegen die "Rebellen" vor. Im April 2006 kündigt er einen Plan zur Entwicklung der Infrastruktur in diesem Gebiet an.

Obasanjos Versuch, sich durch eine Verfassungsänderung eine dritte Amtszeit zu sichern, scheitert im Frühjahr 2006. Mit den Präsidentschaftswahlen im April 2007 folgt mit Umaru Yar'Adua auf Obasanjo. Erstmals in der Geschichte des Landes erfolgte die Machtübergabe an einen gewählten Nachfolger von einer zivilen Regierung zur Nächsten. (Christa Hager/derStandard.at, 11.April 2007)