Stark unterschiedliche Marktgegebenheiten in den USA sowie der Europäischen Union (EU) verhindern eine einheitliche Regulierung des Telekommunikationsmarkts (TKM). Zu diesem Ergebnis kommen Volkswirte der Deutsche Bank Research in ihrer aktuellen Studie "Vom Freihandel zur tiefen Integration: Perspektiven für die Wirtschaftsbeziehungen zwischen EU und USA". "Beim Umgang mit dem Zielkonflikt zwischen der Förderung des Wettbewerbs und der Förderung der Innovation im TKM treten die Unterschiede der beiden Regulierungsansätze in den USA und der EU deutlich zu Tage. Die ökonomische Bewertung dieser Regulierungsansätze muss die stark unterschiedlichen Gegebenheiten bei der TKM in den beiden Regionen berücksichtigen", erklärt Stefan Heng, Analyst der Deutschen Bank Research, im pressetext-Interview.

Mit dem seit 2002 gültigen "Rahmenregelwerk zum Wettbewerb bei elektronischen Kommunikationsnetzen und Kommunikationsdiensten", konnte sich in der EU eine starke Dominanz von ADSL-Zugängen ausprägen. Anders die Situation jenseits des Atlantiks: "Hier ist ein intensiver Infrastrukturwettbewerb zwischen ADSL und TV-Kabel zu beobachten", erläutert der Fachmann. Dabei ging der zunächst 1996 verabschiedete Telecommunication Act (TCA) von einem grundsätzlichen Bedarf zur ex-ante Regulierung des US-amerikanischen TKM aus. Eine ökonomisch fundierte Marktanalyse war im TCA nicht angelegt. Das vorrangige Ziel bestand darin, den neuen Anbietern von TK-Diensten einen entbündelten Zugang zum TK-Netz des ehemaligen Monopolisten zu eröffnen. Allerdings erwies sich dieser ursprüngliche Ansatz in den USA als sehr aufwändig und zugleich wenig erfolgreich. "So entschied sich der US-amerikanische Regulierer FCC 2002 für einen grundsätzlichen Kurswechsel. Heute verzichtet die FCC weitgehend auf eine ex-ante Regulierung und beschränkt sich bei Streitfällen auf sehr sparsame ex-post Eingriffe", so Heng. Die Zeiten rigider Regulierungen in den USA gehören damit der Vergangenheit an.

Aufgrund der unterschiedlichen Regulierungsansätze ist die Wettbewerbsintensität bei den TK-Diensten in der EU heute deutlich höher als in den USA. Hierzulande sind neue TK-Dienstleister nicht auf eigene Netzinfrastruktur angewiesen und müssen auch nicht langwierig mit dem ehemaligen Monopolisten zunächst über den Zugang zum bestehenden Netz verhandeln. Die Experten von Deutsche Bank Research betonen daher, dass eine intensive Rgulierung zwar kurz- bis mittelfristig den Dienstewettbewerb forciert, jedoch langfristig Infrastrukturinvestitionen einbremst und zur langsameren Entwicklung des TKM insgesamt führt. Erschwerend kommt hinzu, dass der im EU-Rahmenregelwerk formulierte Anspruch, die Regulierung auf das ökonomisch Notwendige zu beschränken, immer wieder in das Spannungsverhältnis der regulatorischen Praxis gerät, die dann leicht zum Übersteuern neigt.

Aufgrund der Kopplung der Telekommunikation an ein kapitalintensives, physisches Netzwerk, prognostizieren die Volkswirte der Deutsche Bank Research auch weiterhin eine national orientierte Regulierung. Folglich ist weniger der große transatlantische Ansatz, als vielmehr das an den jeweiligen Gegebenheiten orientierte, regionale Konzept, das die Förderung des Wettbewerbs und der Innovation in Übereinstimmung bringt, zielführend. "Das Beispiel der privatwirtschaftlich organisierten Standardisierung der RFID-Funkchips belegt, dass die Harmonisierung der Kommunikationsbranche auf der einen Seite per se nicht zentral vom Staat ausgehen muss, aber auf der anderen, unabhängig vom Initiator, immer einen langen Atem erfordert", so Heng. Der Experte betont, dass dieser über das Denken in politischen Legislaturperioden hinausgehen sollte. (pte)