Hamburg - Quälende Bauchschmerzen, abwechselnd Durchfall und Verstopfung, Blähungen und ein mitunter sichtbar aufgedunsener Bauch: 15 bis 25 Prozent der Bevölkerung in den westlichen Industrieländern sind vom so genannten Reizdarmsyndrom (RDS) betroffen. Die Behandlung der Krankheit, welche die Lebensqualität der Betroffenen oftmals drastisch verschlechtert, erweist sich als schwierig, da die Symptome sehr vielschichtig sind, so MedizinexpertInnen bei einer Pressekonferenz am Freitag in Hamburg. Eine Kombination aus medikamentöser Therapie und begleitenden Maßnahmen wie die Änderung der Lebensführung und gezielte Ernährung soll nun - verbunden mit neuen Diagnoseansätzen - die Leiden lindern. Bevor RDS-Betroffene medizinischen Rat in Anspruch nehmen, durchlaufen viele ein regelrechtes Martyrium, schilderte der Münchner Allgemeinmediziner Dr. Erwin Häringer. "Das Problem ist, dass die meisten Patienten gar nicht erst zum Arzt gehen." Den Anfang machen meist Besuche bei der / beim HeilpraktikerIn oder ApothekerIn, in der Hoffnung, ein brauchbares Mittel zu finden. Im Extremfall verlassen Reizdarmkranke nicht einmal mehr das eigene Haus, weil sie sich schämen, berichtete der Mediziner. Keine abweichenden Befunde Auch der Gang zuR ÄrztIN löst die Probleme nicht mit einem Schlag: Viele RDS-Kranke zeigen bei genauerer Untersuchung keine abweichenden oder gar Besorgnis erregenden medizinischen Befunde. "Die Patienten sind aber wirklich krank", so Häringer. In vielen Fällen bekommen die Betroffenen dann zu hören: "Sie sind doch O.K.", was das Dilemma für die Betroffenen nicht geringer, sondern größer werden lässt. Bei der Diagnose des RDS dominierte in den vergangenen Jahrzehnten die Methode der "Asschlussdiagnostik". Dabei wurden die PatientInnen auf mögliche bestehende Erkrankungen des Magen-Darmtraktes wie Magen- oder Darmkrebs oder Entzündungen im Darmtrakt untersucht. Konnte keine Erkrankung festgestellt werden, näherte man sich schließlich der Diagnose Reizdarm an. Fragenkatalog zur Hilfe Prof. Dr. Wolfgang Kruis, Chefarzt der Inneren Abteilung des Evangelischen Krankenhauses Kalk, will das Vorliegen des Reizdarmsyndroms mit Hilfe eines Fragenkataloges feststellen. "Wir müssen eine Positivdiagnose machen", hält der Mediziner auf Grund der Zunahme bei den Untersuchungsmethoden die Ausschlussdiagnostik nicht mehr für zielführend. Kruis plädierte für einen "Fragenkatalog", der sich vor allem auf die Beobachtung der Trias Bauchschmerzen, Blähungsbeschwerden und die Unregelmäßigkeit des Stuhlganges konzentriert. Zusätzlich werden die Länge des Auftretens der Beschwerden und der Wechsel zwischen Verstopfung und Durchfall - ein charakteristisches Zeichen für das Vorliegen eines RDS - erfragt ."Die Diagnose kann auf Grund der typischen Anamnese gestellt werden. Unnötige weiterführende Untersuchungen sollten vermieden werden", so Kruis, der sich auf eine Studie beruft, der zufolge 99 Prozent der PatientInnen mit diesem Verfahren richtig diagnostiziert wurden. "Wir haben zwei Drittel aller Patienten mit RDS erkannt". Neues Medikament in den USA vorerst nur für Frauen Zur Linderung des Reizdarmsyndroms soll nun ein Medikament beitragen, dass seit Mitte März in den USA - vorerst nur für Frauen, bei denen im Diagnosebild Durchfall als funktionelle Darmstörung dominiert - zugelassen ist. Alosetron, unter dem Handelsnamen Lotronex vertrieben, soll durch seine Wirkung auf die Neurone der Darmwand die RDS-Symptome reduzieren, erläuterte Dr. Tjark Reblin, Fachbereichsleiter für Gastroenterologie des Pharmahersteller Glaxo Wellcome, in Hamburg. Alosetron dockt an den Serotonin-Rezeptoren (5-HT3-Rezeptoren) der Darmwand an und beeinflusst so einerseits die Schmerzübertragung, andererseits die Steuerung der Darmmotilität und die Sekretion im Darmtrakt. Dadurch wird der Stuhldrang vermindert, es reduzieren sich die Stuhlfrequenz, während sich die Konsistenz verbessert, so Reblin. Ob Lotronex auch für Männer zugelassen wird, soll nach Abschluss weiterer Studien entschieden werden. Die EU-Zulassung von Lotronex dürfte laut Reblin im kommenden Jahr erfolgen, entsprechende Anträge seien bereits gestellt. (APA)