Der Suchdienst des Internationalen Roten Kreuzes versucht NS-Opfern Bestätigungen über Verfolgung und Zwangsarbeit auszustellen, die sie als Nachweis für Entschädigungen brauchen. 22 Staaten kooperieren, nur Österreichs Behörden neuerdings nicht mehr, berichtet Alexandra Föderl-Schmid. Bad Arolsen/Wien - Auf einer Österreich-Karte, die in einem Büro des Suchdienstes des Roten Kreuzes in Bad Arolsen hängt, sind die Gemeinden und Stellen, die mit der Bitte um Dokumente aus der NS-Zeit kontaktiert wurden, mit Stecknadeln gekennzeichnet. Die Linie aus 225 Pünktchen zieht sich vom westlichen Niederösterreich über Oberösterreich in die Steiermark. "Die weiße Fläche rechts davon heißt, dass wir den Osten Österreichs schon abgeklappert haben. Tirol und Vorarlberg müssen wir erst beackern", erläutert Udo Jost, Koordinator für die Ordnungsarbeiten des Internationalen Suchdienstes. Sechs MitarbeiterInnen beschäftigen sich allein mit der Dokumentenbeschaffung aus Österreich. Seit Mitte Mai bleiben die Stecknadeln an ihrem Platz. Grund ist ein Erlass, den das Bundesinnenministerium am 19. Mai an alle Sicherheits- und Bundespolizeidirektionen "aufgrund der Dringlichkeit der Angelegenheit mittels Fax" herausgegeben hat. Darin heißt es, dass in der Marktgemeinde Traisen zwei Frauen aufgetaucht seien, "welche sich als Mitarbeiter des internationalen Suchdienstes in Bad Arolsen ausgewiesen" hätten. Diese hätten beabsichtigt, alte Meldekarteien auf Mikrofilm zu bringen. "Es ist nicht auszuschließen, dass die Genannten in dieser Angelegenheit auch an andere Meldebehörden herantreten werden bzw. schon herangetreten sind. Aus melderechtlicher Sicht wird festgestellt, dass eine derartige Auskunftserteilung mit §18 des Meldegesetzes 1991 nicht im Einklang stehen würde." Konsequenzen Die Konsequenzen: Zehn Gemeinden haben laut Jost ihr Angebot, Einsicht in Dokumente zu gewähren, zurückgezogen. Die meisten würden einfach gar nicht reagieren. Dies werfe vor allem für die Entschädigung von ZwangsarbeiterInnen Probleme auf: "Wir haben schon jetzt viele Antragsteller, die in Österreich gearbeitet haben." Die Zusammenarbeit mit Gebietskrankenkassen, die Versicherungsnachweise zur Verfügung stellten, sei dagegen gut. Jost verweist darauf, dass das Bundeskanzleramt 1995 ausdrücklich zugesichert hatte, Dokumente in Österreich zugänglich zu machen. "Ich hoffe, es war nur die übereilte Handlung eines schlecht informierten Mitarbeiters. Ansonsten wären wir blockiert." ***** Das Innenministerium will sich am Montag mit dem Suchdienst des Roten Kreuzes in Verbindung setzen, um umgehend eine Lösung zu finden, die die Offenlegung alter Meldedaten für die Recherchen für NS-Opferentschädigungen ermöglicht. "Wir sind sehr interessiert, dass Betroffene ihre Entschädigungen erhalten können und wollen die Arbeit des Roten Kreuzes keineswegs behindern", erklärte der Sprecher der Generaldirektion für die Öffentliche Sicherheit im Innenministerium, Rudolf Gollia, Freitag abend. Gollia bestätigte die Existenz des vom Standard gemeldeten Erlasses an die Meldebehörden, dem Suchdienst alte Meldedateien nicht zur Verfügung zu stellen. Der Erlass sei von der Abteilung II/13, der obersten Behörde in Meldeangelegenheiten ergangen. Diese "Missverständnisse" hätte es möglicherweise nicht gegeben, wenn der Suchdienst sich direkt an das Innenministerium gewandt hätte, meinte Gollia. (APA)