Kosovo
Milosevic - Der Mann, der den Westen herausfordert
Belgrader Machthaber als Präsidentschaftskandidat nominiert
Belgrad - Wie auch immer das Urteil über den Charakter von Slobodan Milosevic lauten mag: Wieder einmal hat der jugoslawische
Präsident bewiesen, dass er sein Handwerk als Politiker beherrscht. Innerhalb von drei Wochen setzte der 59-Jährige durch, dass für den
eigenen Machterhalt die jugoslawische Verfassung geändert, ein neues Wahlgesetz verabschiedet, ein Wahltermin festgelegt und auch sogleich
der neue Spitzenkandidat für das höchste Staatsamt bestimmt wird. Der Name: Slobodan Milosevic.
Wie auch sonst. Mit der schnellen Prozedur zur Sicherung der Macht hat er gezeigt, dass er es immer noch beherrscht, dem Westen die Stirn
zu bieten. Wie seit einem Jahrzehnt schon. Und nach den Parlaments- und Präsidentenwahlen am 24. September wahrscheinlich auch auf
Jahre noch.
Aufstieg begann 1989
Sein Aufstieg zum nationalen Hoffnungsträger begann am 28. Juni 1989 im Kosovo, wohin Millionen Serben seinem Ruf zum Schauplatz ihrer
mythenumrankten Niederlage gegen die Türken folgten. Milosevic versprach, das einstige Kernland des serbischen Reiches heimzuholen. Mit
der Brandrede zum 600. Jahrestag der Schlacht auf dem Amselfeld gab Milosevic den Anstoß zum Zerfall Jugoslawiens. Seinem Volk
bescherte er Tausende Tote, Hunderttausende Vertriebene, wirtschaftliches Elend und das Ende aller großserbischen Ambitionen - genau das
Gegenteil dessen, was er wollte.
Aber trotzdem sitzt Milosevic bis heute unangefochten im Sattel. Die militärische Niederlage vom Frühjahr 1999, als er sich nach elf Wochen
Kosovo-Krieg der NATO geschlagen geben musste, änderte daran nichts. Ihm gelang es, seine Parteigänger davon zu überzeugen, dass das
Kosovo nur vorübergehend unter UNO-Verwaltung stehe. Die Opposition im eigenen Land hat sich durch ihren Dauerstreit in eine
aussichtslose Lage gebracht. Und das Ausland sieht fast fassungslos zu, wie sich Milosevic trotz einem seit 14 Monaten bestehenden
Haftbefehl wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit an der Macht halten kann.
Appellierte an verbreitetes Ressentiment
Geboren wurde Milosevic am 20. August 1941 im ostserbischen Pozarevac. 1986 übernahm der Jurist die Führung der serbischen
Kommunisten. Ein Posten, mit dem er weit reichende Ambitionen verband: Starker Mann eines von den Serben beherrschten Jugoslawien
wollte er werden, und dazu bediente er sich hemmungsloser nationalistischer Propaganda. Dabei appellierte er an das verbreitete
Ressentiment der Serben, als größtes Volk im Vielvölkerstaat des Marschalls Tito gegenüber kleineren Volksgruppen benachteiligt zu sein.
1989 setzte Milosevic die den Kosovo-Albanern zuerkannte Autonomie innerhalb der serbischen Republik außer Kraft. Die Rückgliederung
des Kosovo und eine rabiate Unterdrückung der albanischen Mehrheit waren das Herzstück seiner Politik. "Alle Serben in einen Staat"
lautete das Schlagwort, unter dem er von 1991 an die Feldzüge gegen Kroatien und Bosnien entfesselte. Der Krieg in Kroatien endete 1995
mit der serbischen Niederlage und der Vertreibung von 200.000 Menschen aus ihrer seit 300 Jahren angestammten Heimat. In Bosnien
bewahrte nur das Dayton-Abkommen die Serben vor dem Zusammenbruch. Und auch im Kosovo hatte er keinen Erfolg mit seiner Politik.
Umso erstaunlicher ist, mit welch geringer Mühe sich Milosevic an der Macht halten konnte. Im Juli 1997 vertauschte er nach sieben Jahren
das Amt des serbischen Staatschefs mit dem des jugoslawischen Präsidenten, weil ihm die serbische Verfassung eine Kandidatur zur
Wiederwahl verbot. Das gleiche Problem umging er dieses Mal einfach dadurch, dass er die jugoslawische Verfassung ändern ließ. Und
gegenwärtig sieht es so aus, als ob die Wahlen kein Problem im September für ihn sein sollten. Ein aussichtsreicher Gegenkandidat ist nicht in
Sicht. Dann wäre Milosevic vier weitere Jahre im Amt und könnte sich 2004 noch einmal bewerben. Und wer weiß, was 2008 passiert.