Thank God It's Friday.

In ein paar Stunden findet das wöchentliche Fest auf dem Google Campus in Mountain View statt, eine knappe Autostunde südlich von San Francisco. "It's social", erklärt "Googlerin" Sunny Gettinger beim Rundgang - diese Woche sind Tratsch, Drinks, Snacks und Musik angesagt. Jede zweite Woche geht es um Business, Google-Gründer Sergey Brin und Larry Page berichten über aktuelle Entwicklungen, Mitarbeiter können sich in die Diskussion einbringen, auch über Mail und Video, wenn sie nicht am Campus sind. Neue "Googler" werden als Mitglieder der Familie eingeführt.

helmut spudich

Nicht dass es für die rund 6000 Mitarbeiter auf dem weit verzweigten Areal (weltweit beschäftigt Google rund 11.000 Mitarbeiter) mit einem Dutzend Gebäuden an Möglichkeiten zur Life-Work-Balance fehlt. Der Kern des Hauptquartiers - "Buildings 40-43" - ist rund um ein Beach-Volleyball-Feld gebaut, auf der Wiese davor trainiert ein "Googler" gerade mit seinem persönlichen Trainer. Viele, aber nicht alle der zahllosen Sozialleistungen sind gratis: Die Trainerstunde kostet 20 Dollar, eine Massageeinheit 30 Dollar. Auch die Putzerei - eine Dropoff-Box in jeder Lobby, gewaschen und gebügelt zurück auf den Schreibtisch - muss man zum subventionierten Preis zahlen.

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Dafür ist es sonst wie ein Leben im verspielten Schlaraffenland: "Höchstens 100 Schritte" sind es bis zur nächstgelegenen Küche, deren Getränkekühlschränke stets gut gefüllt sind, und wo Bagels bereit stehen, beschreibt Daniel Pastor dem Besucher. Cafés, Restaurants, Tapas-Bar, riesiges Fitnesscenter, Schwimmbecken mit Gegenstromanlagen, Kletterwand. Sonstige "Perks": Ölwechsel und Autowäsche am Campus, Friseur, Arztpraxis.

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In der Lobby von Building 42 scharen sich "Googler" um die Kunstwerke von Mitarbeitern. Eine rätselhafte Maschine, das Werk eines Ingenieurs, muss erst entschlüsselt werden, ehe man die Aufgabe (Metallkugeln in unterschiedlichen Ebenen platzieren) lösen kann. Im Hintergrund Installationen, die sich erst auf den zweiten Blick als Google-Daten entpuppen: Auf riesigen Displays eine sich drehende Weltkugel, die Lichtblitze ausschickt - Google-Abfragen, die in diesem Moment in aller Welt von Handys aus gemacht werden. Auf einem anderen Schirm (fast) live die Stichwörter, nach denen irgendwer irgendwo in der Welt sucht: Laser hair removal - job vancancies pakistani banks - dog fancy magazines - pinx funciamento - love tips of the day - carros sinistro - philip roth. Glück gehabt

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"Ich habe für viele Unternehmen gearbeitet, auch für Non-Profit-Organisationen", sagt Gettinger. Was der Unterschied zur Arbeit hier ist? "Google behandelt mich, als ob sie Glück hätten, mich zu haben, statt dass ich Glück habe, hier zu sein. Das ist unglaublich motivierend." Die Atmosphäre ist die einer großen Uni, nur dass es für die Arbeit Geld gibt - rund 100.000 Dollar ist das Anfangsgehalt eines Google-Ingenieurs.

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Die von US-Unternehmen bekannte "Cubicle"-Kultur (von Stellwänden umgebene Schreibtische) ist in den geräumigen Gebäuden stark gelockert: Teams teilen sich jeweils eine Art Arbeitsinsel, überall gibt es Meeting-Räume, teilweise in Form von Zelten innerhalb der Büroräume.

AP Photo/Stefano Paltera

Für die Mitarbeiter in Mountain View gibt es einen eigenen Busshuttle, der sich mit Verkehrsbetrieben mittelgroßer Gemeinden messen kann: 32 Busse, die täglich von rund 1200 Googlern für den Weg zur Arbeit und nach Hause genutzt werden, mit Fahrradtransport, bequemen Ledersitzen und Wifi-Netzen an Bord. Nicht zu viel verlangt von einem Konzern, deren Gründer eine firmeneigene Boeing 767 samt Schlafzimmern benutzen können.

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Von fünf Uhr früh bis 22.40 abends steuern die Busse über 40 Destinationen an, im Norden bis zum 54 Meilen (87 Km) entfernten Concorde, im Süden bis zum 38 Meilen entfernten Santa Cruz. 132 Fahrten täglich mit einer Gesamtstrecke von 4400 Meilen, Fahrpläne und aktuelle Information werden per SMS verteilt. Ein Team von Verkehrsspezialisten ist ständig mit dem Austüfteln von Routen beschäftigt, um den Bedürfnissen neuer Mitarbeiter entgegen zu kommen. Manchmal gibt es bis zu zehn Routenänderungen im Monat. Nicht ohne Eigennutz: Aufgrund der hohen Wohnkosten im Silicon Valley und der damit verbundenen Suche nach billigeren Wohnorten ist Verkehr die Sorge Nummer 1 in der Bay Area.

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"Fahrzeit ist bei uns Arbeitszeit", erklärt Gettinger, die selbst den Bus nützt. Fixe Dienstzeiten sind nicht angesagt: Mitarbeiter sind für Projekte verantwortlich, Zeitkontrollen gibt es keine. "Unser Campus ist 24 Stunden täglich, sieben Tage die Woche offen. Die Leute haben alle Arten von Arbeitsstunden."

google.com

Das drahtlose Internet an Bord der Busse ist das Ergebnis eines "20-Prozent-Projekts": Ein Fünftel der Arbeitszeit kann jeder Mitarbeiter zur Entwicklung eigener Ideen nutzen, in Absprache mit der jeweiligen Chefin oder dem Chef. Manches Google-Programm ist aus dieser Freizügigkeit entstanden, so Google Orkut, die Social Networking Software des Konzerns.

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"Wir legen großen Wert auf Teamarbeit, reines Teleworking gibt es bei uns nicht", sagt Gettinger, obwohl Google auch für den Internetanschluss daheim aufkommt. "Wir wollen, dass die Leute hier zusammen sind und ein soziales Netz bilden."

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Für den Zusammenhalt sorgt auch die Sorgfalt, mit der Google unter 100.000 Bewerbungen im Monat auswählt. Exzellente Zeugnisse waren immer Voraussetzung, jetzt will der Konzern auch gut entwickelte Persönlichkeiten - etwa Leute, die schon Bücher geschrieben oder einen Verein gegründet haben. Die Talentesuche beginnt mit einem aufwändigen Onlinefragebogen, der die Kompatibilität zur Google-Kultur erheben soll. Diese definierte Google im Vorjahr durch eine umfangreiche Erhebung unter Googlern.

helmut spudich

Wie groß der Aufwand für das Wohlgefühl ist, darüber schweigt sich Google aus. Aber dass sich die beträchtlichen Kosten lohnen steht außer Zweifel. Gestern, Freitag, war wieder Bilanztag, an dem Google Konkurrenten weit hinter sich ließ. Der Gewinn stieg im ersten Quartal um 70 Prozent auf eine Mrd. Dollar (735 Mio. Euro), der Umsatz um 63 Prozent auf 3,66 Mrd. Dollar. Thank God It's Friday. (Helmut Spudich, Der Standard/Printausgabe vom 21.4.2007)

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