Bild nicht mehr verfügbar.

Krankheit oder die Trauer um Freunde gehören zum Alter, Depressionen nicht.

Foto: APA
Innsbruck - Rund 15 Prozent der über 65-Jährigen leiden an Depressionen, in Alters- und Pflegeheimen sind es sogar 30 Prozent. Umso erstaunlicher, dass die häufig nicht erkannte Altersdepression bisher kaum ein Thema in der Ausbildung von Ärzten und Pflegepersonal war. "Wir sind österreichweit die ersten, die Altenheimen entsprechende Schulungen des Personals anbieten", sagt Horst Mitmannsgruber, der vor zwei Jahren an der Uniklinik Innsbruck mit dem Aufbau einer Spezialambulanz Alterspsychotherapie begonnen hat. Komprimiert werden in sechs Stunden Grundlagen der Diagnose und in zwölf Stunden mögliche Interventionen vermittelt.

Nicht normal

Ullrich Meise, Leiter des Tiroler Bündnisses gegen Depression und Direktor der Gesellschaft für Psychische Gesundheit, betrachtet es als schweren Fehler, Altersdepression als Normalzustand zu betrachten. Erkrankungen und soziale Veränderungen, etwa der Tod naher Menschen, gehören zum Alter, aber nicht die Depression, betont Meise. Depressionen im Alter seien schwerer erkennbar, weil häufig körperliche Symptome wie Energielosigkeit und Schlafstörungen im Vordergrund stehen und die Betroffenen selbst ihre niedergeschlagene Stimmung oft für sich behalten, ergänzt Mitmannsgruber.

Selten in Behandlung

Deshalb erkennen Ärzte bei Menschen über 65 Depressionen nur zu 25 Prozent, bei jüngeren Menschen sind es 50 Prozent. Bezeichnend ist, dass die betroffene Altersgruppe derzeit 30 Prozent der Gesellschaft ausmacht, in psychotherapeutischen Praxen aber nur zu zwei Prozent anzutreffen ist.

Auslöser vieler Erkrankungen

Unbehandelte Depressionen werden nicht nur chronisch, sondern können Auslöser etwa für Herzinfarkt sein oder den Verlauf vieler Erkrankungen negativ beeinflussen. Auch aus ökonomischer Sicht ist schwer nachvollziehbar, wieso die Altersdepression so wenig beachtet wird: "Wir wissen aus Studien, dass depressive Patienten um die Hälfte mehr an Ressourcen im Gesundheitssystem benötigen, wie nicht depressive", betont Mitmannsgruber.

Hohes Suizidrisiko

Mit einer Kombination von Medikamenten und Psychotherapie ist fast immer "eine klinisch relevante Besserung" zu erzielen, sagt Mitmannsgruber. Die Dramatik des Problems wird dadurch unterstrichen, dass die Gruppe der über 75-jährigen Männer das höchste Suizidrisiko hat.

Dazu komme, dass der Suizid in dieser Gruppe tendenziell weniger angekündigt und besser vorbereitet werde, erklärt Meise und fügt hinzu: "Depression im Alter ist kein Schicksal, sondern unnötiges und zusätzliches Leid." (Hannes Schlosser/STANDARD-Printausgabe/24.04.2007)