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Edith Corrieri bei der Arbeit in ihrer Wiener Werkstatt: "Ich habe mich schon als Kind lieber mit Technik als mit Puppen beschäftigt."

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Vor dem Trocknen ist die Meerschaumknolle wachsweich und fühlt sich fettig an. Durch die Berührung mit Wasser schäumt sie wie Seife und wurde deshalb schon von den Griechen für Reinigungszwecke verwendet.

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Für die Bearbeitung ist viel Fingerspitzengefühl und Erfahrung notwendig. Da muss man genau spüren und hören um zu wissen, wie lange man bohren darf.

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Hier ist schon vorstellbar, dass die Krönung einer Pfeife am Ende herauskommen soll.

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Die Calabash-Pfeife mit einem Meerschaumoberteil. Meerschaum nimmt die Schadstoffe an, weil er sehr porös ist. Die Pfeifen werden in reiner Handarbeit hergestellt. Zu haben ist die Pfeife je nach Größe und Ausführung ab etwa 100 Euro.

Die Drehbank stammt aus Maria Theresias Zeiten. Gebraucht wird sie, weil Meerschau so bruchanfällig ist, dass man das Material nicht mit der Maschine bearbeiten kann.

Meerschaum kommt in Knollen vor, die bei Strambach wieder emulgiert werden. Man versucht hier, wofür die Natur sehr lange braucht, in 20 Wochen nachzuempfinden. Hier die Rohlinge ehe sie geschliffen und gebohrt wurden.

Meerschaum oder auch Sepiolith ist ein eher seltenes Tonmineral aus der Gruppe der Silikate und einer der bekanntesten Rohstoffe für Pfeifen neben dem Bruyèreholz. Der Name leitet sich aus der levantinischen Handelsbezeichnung Mertscavon ab. Die österreichischen Händler, die seinerzeit den Meerschaummarkt kontrollierten, "verdeutschten" das Wort. Wichtigster Fundort ist die Türkei.

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Schon als Kind sei sie heimlich hinter den Drehbänken gesessen und habe zugeschaut, wie gearbeitet wurde, sagt Edith Corrieri. Nachdem die ausgebildete Drechslermeisterin außerdem das einzige Kind war, lag es nahe, vor 40 Jahren die Firma des Vaters und damit die Herstellung "feiner Rauchartikel" zu übernehmen.

Pfeifen aus Kürbis und Meerschaum sind die Spezialität des Hauses Strambach. Der Firmensitz des 100 Jahre alten Familienbetriebs befindet sich hinter den Mauern eines würdigen Wiener Gründerzeithauses im sechsten Bezirk. Anfangs hatte man sich darauf beschränkt, Zigarettenspitzen herzustellen. Manches Modell brachte es auch zu einer gewissen Berühmtheit: Etwa jenes, das mit Swarowski-Steinen verziert wurde, im Jahre 1955, als der Name Swarowski nicht unbedingt ein Zugpferd war. Als Prinzessin Margret von England damals in der Öffentlichkeit mit dieser Zigarettenspitze auftrat, kurbelte das die Nachfrage beträchtlich an, erinnert sich Corrieri: "Alle Engländer wollten damals Zigarettenspitzen mit Swarowski-Steinen. Wir haben einen eigenen Mitarbeiter eingestellt, der die Steine händisch eingelegt hat" sagt sie und dass man der Nachfrage kaum hatte nachkommen können.

90 Prozent gehen in den Export

Heute kommt zum Beispiel die Schubertpfeife in Japan besonders gut an. Manch einer will auch eine Pfeife in der Farbe seines Autos. Experimentiert wird im Betrieb ständig: "Es ist oft sehr spannend, weil Bernstein nicht ganz einfach zu bearbeiten ist - Bernstein muss bei 180 Grad in Öl gebogen werden - und Meerschaum ist auch nicht unkompliziert", plaudert Edith Corrieri aus dem Arbeitsalltag. Da kann es schon einmal passieren, dass es nach stundenlanger Arbeit Klick macht und das bearbeitete Stück verloren ist: "Da ist mir schon viel kaputt gegangen." Heute erzeugt sie mit sechs Mitarbeitern Pfeifen, die zu 90 Prozent weltweit exportiert werden.

Meerschaumpfeifen, ein Statussymbol und Kunst- und Sammlerobjekt des 19. Jahrhunderts, wurden in Wien vor rund 100 Jahren von ebenso vielen Firmen hergestellt. Ein exzellenter Raucher besaß etwa 20 Stück davon. Heute liegt die Herstellung der "Weißen Göttin" nur noch in Strambachs Hand. Die Pfeifen sind immer noch reine Handarbeit, hergestellt nach traditionellen Verfahren, mit Unterstützung ebensolcher Werkzeuge. Die Drehbank etwa stammt aus der Zeit Maria Theresias und sieht auch so aus. Aber Meerschaum lasse sich eben nicht maschinell bearbeiten. Dazu sei die Bruchgefahr zu hoch. Man braucht laut Edith Corrierri das Gespür und das Gehör, um zu wissen, wie weit man bohren könne. Wie lange sich eine Pfeife von ihren Anfängen bis zur Fertigstellung im Betrieb aufhält, kann man nicht genau sagen, weil die Einzelteile durch das Spezifische des Materials sehr viele Ruhezeiten benötigen.

Arbeit an der Pfeife

Die Calabash-Pfeife ist in unseren Breiten ein eher seltenes Stück. Sie hat den Vorteil, dass sie mit einem Meerschaumoberteil versehen ist. Meerschaum nimmt die Schadstoffe an, weil er sehr porös ist. Der Raucher kommt zuletzt vorwiegend zum Tabakgeschmack: "So ist es am Ende, wenn man so will, ein entsprechend gesünderes Rauchen," schmunzelt Frau Corrieri. Notwendig ist dafür auch ein Kürbis, der in Afrika gezogen wird. Dabei handelt es sich um eine sehr aufwändige Arbeit, weil der Kürbis alle zwei Tage händisch gebogen werden muss, damit am Ende die Form für die Pfeife stimmt. Anschließend wird der hornförmige Kürbis stundenlang gekocht, geschnitten, der Samen entledigt und zuletzt getrocknet. Erst nach dieser Vorarbeit kann man bei Strambachs in der Wiener Werkstatt etwas damit anfangen und die Arbeit an der Pfeife beginnen. Zunächst muss ausgedreht und ein Kork eingelegt werden. Ein entsprechendes Oberteil aus Meerschaum wird aufgebracht, das ebenfalls aufwändigen Arbeitsschritten unterliegt. Zuletzt wird veredelt. Mit Silbermundstück, Silbermittelstück, Bruyèreholz (aus der Wurzel der Baumheide Erica arborea), Edelharzen etc werden die Verschönerungen vorgenommen. Denn Pfeifen müssen auch ästhetisch sein.

Dass der Pfeifenraucher eher mit Lebenskunst, Genuss, Stil und Luxus, denn mit dem "gemeinen Zigarettenraucher" in Verbindung gebracht wird, liegt für Edith Corrieri in der Natur der Sache, "denn beim Pfeifenrauchen braucht man ein Handling, ein Know-how." Albert Einstein dürfte die Kunst ebenso beherrscht haben wie Johann Sebastian Bach, der seiner "Tobackspfeife" ein Loblied widmete, Claude Chabrol, Max Frisch oder Vincent van Gogh. Ob Pfeifenrauchen modern sei, könne sie nicht sagen, meint Edith Corrieri. Auswirkungen der Raucherdiskussion spürt sie jedenfalls nicht. Anweisungen, wonach die Pfeife, wenn schon nicht mit Samt- so doch mit Leinenhandschuhen "in Betrieb genommen" werde, verweist sie ins Reich der Mythen.

Pfeifenrauchende Damen

Bei Strambachs werden übrigens auch Damenpfeifen hergestellt. Die gehen vorwiegend in den skandinavischen Raum. Hier rauchen nämlich auch die Damen, wie seinerzeit auch in unseren Breiten. Denn dass pfeifenrauchende Damen hierzulande eher eine rare Spezies sind, ist eher gesellschaftlichen Moden zuzuschreiben. Glaubt man der einschlägigen Literatur, so wurde das Rauchen der Frauen erst ab dem 19. Jahrhundert als unziemlich empfunden. Im gutbürgerlichen Rauch- und Herrenzimmer hatten die Damen vielfach keinen Zutritt. Nicht alle hielten sich an diese Gepflogenheiten. Die französische Schriftstellerin George Sand etwa gilt als die bekannteste Pfeifenraucherin ihrer Zeit. Und die Marquise de Pompadour, Lieblingsmätresse von Ludwig XV. soll mehr als dreihundert Pfeifen besessen haben. Edith Corrieri raucht allerdings selbst nicht, auch nicht Pfeife. Es hätte sich nie ergeben, sagt sie. Auf familiären Rat in Sachen Produktentwicklung muss sie trotzdem nicht verzichten. Ausgiebig getestet wird von ihrem Mann. (rb/derStandard.at, 2.5.2007)