Arbeitsstress pur im Gänsehäufel heute: Wenn die Burschen provokant vom Beckenrand springen, ist die Ruhe beim Bademeister eine Kunst.

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Der Entdecker und die Nutznießer: Florian Berndl lebte sogar in einer Hütte auf "seiner" Insel...

Foto: MA 44-Bäder

... auf der den Kindern später mittels Seilzügen das Schwimmen gelehrt wurde.

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Prinzipientreu sind die Verantwortlichen der Wiener Bäder jedenfalls: Wie in Stein gemeißelt gilt der 2. Mai als Eröffnungstag. Da stört das Vorpreschen der privaten Konkurrenz nicht, genauso wenig wie das heiße Aprilwetter.

Auf ein Freibad wird sich der Blick in dieser Saison besonders richten: Das Wiener Gänsehäufel feiert sein 100-jähriges Bestehen. Dabei hat die Geschichte des "kleinen Gänsehaufen" schon viel früher begonnen.

Florian Berndl, ein geborener Waldviertler, der zum Wiener Original mutiert war, gilt als der Entdecker dieser Sandinsel, eines Relikts der Donauregulierung. "Er war der Erste, der dort etwas professionell aufzog", erzählt Gerhard Hofer, Autor des Jubiläumsbuches über das Bad, im Gespräch mit dem Standard. 1900 pachtete er den Grund um 15 Gulden jährlich. Hofer beschreibt den seltsam anmutenden Mann als "Pionier der Wellnessbewegung". Berndl, der im AKH als Krankenpfleger arbeitete, glaubte an die heilende Kraft von Sonne und Wasser. Und versuchte daraus ein Geschäft zu machen.

Auf Gepflogenheiten gepfiffen

Hofer: "Er hat sich auch nichts gepfiffen. Berndl hat Baumstämme ins Wasser geworfen, miteinander verhakt und das dann einfach sein Bad genannt." Gepfiffen hat er auch auf die damals herrschenden gesellschaftlichen Gepflogenheiten - schnell sei der Ort als "Sündenpfuhl" gebrandmarkt gewesen, so Hofer. Die Stadt hat schlussendlich etwas gesucht, um ihn auszuhebeln. Eine fehlende Wirtshauskonzession wurde ihm zum Verhängnis, der Pachtvertrag gelöst. "Wie der Zufall so will, lag ein Konzept für ein Kommunalbad bereit", sagt Hofer. Am 5. August 1907 wurde es schließlich eröffnet. Wobei es eigentlich drei Bäder waren: eines für Männer, eines für Frauen und ein kleiner Bereich für die Familie. Zäune und Wachpersonal sorgten für die sittliche Trennung.

Die nicht lange hielt: "Es gab da vor dem Bad einen richtigen Heiratsmarkt", so der Buchautor. Eine klassisch wienerische Lösung: Nur wer als Mann und Frau an der Kasse anstand, durfte in den Bereich für beide Geschlechter. Kontrolliert wurde die "Ehe" nie.

Schluss mit sittlichem Getue

Das "Rote Wien" machte in der Zwischenkriegszeit Schluss mit dem sittlichen Getue. "Das Bad wurde als Hort der Arbeiterkultur entdeckt", sagt Hofer. Andere Anlagen an der Alten Donau seien "wie Schwammerln" aus dem Boden geschossen. Im Zweiten Weltkrieg praktisch weggebombt, wurde das Gänsehäufel 1950 nach Plänen der Architekten Max Fellerer und Eugen Wörle neu aufgebaut. Ein Gesicht, das sich bis heute nicht geändert hat - auch da ist Wien, wenn man so will, prinzipientreu. (Peter Mayr/DER STANDARD-Printausgabe, 02.05.2007)