Wien – "Mir ist fad" hat jemand an die Aufzugswand des AMS_für Jugendliche in Wien geschrieben. Darunter hat ein anderer "Mir auch" hinzugefügt. Der Kommentar eines Dritten: "Schade". Insgesamt 12.437 Jugendliche unter 21 Jahren waren im April beim AMS vorgemerkt, davon rund 2900 Nicht-Österreicher. Fast die Hälfte der ausländischen Jugendlichen ohne Arbeit hat keinen Pflichtschulabschluss, während es bei den österreichischen nur 15 Prozent sind.

Herumgereicht

Was die Politik für Jugendliche ohne Ausbildung tun müsste, diskutierten Fachleute und Forscher im Rahmen eines Stadtexpertengesprächs der Wiener Grünen, zu dem Bildungssprecherin Susanne Jerusalem ins Rathaus geladen hatte. Durch den frühen Leistungsdruck in einem hoch differenzierten Bildungssystem bleibe den Jugendliche "keine Zeit zum Träumen" und zur Berufsorientierung mehr, kritisierte Ute Fragner, die Qualifizierungskurse im WUK betreut, dass die schnellstmögliche Integration in den Arbeitsmarkt zu Lasten der Jugendlichen gehe. Und diese würden oftmals bloß am Arbeitsmarkt "herumgereicht" ohne ihre Bedürfnisse und mitgebrachten Kenntnisse zu berücksichtigen, betonte Andreas Oehme vom Projekt "space lab". "Die Jugendlichen sind meist hochaktiv – auch ohne Job. Was sie da lernen, wird nicht gesehen."

Das gelte besonders Migranten, deren praktische Arbeitserfahrungen nicht anerkannt würden, erläuterte Elisabeth Freithofer vom Integrationshaus. "Drop Out ist für jugendliche Asylwerber ein Luxus, da sie gar nicht mehr ins Schulsystem reinkommen, wenn sie über 15 Jahre sind", erinnerte Freithofer an die Kinderrechtskonvention, in der steht, dass Jugendliche bis 18 Jahre unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus den vollen Zugang zum Bildungssystem erhalten müssen.

Migrantenkinder gefährdet

Bei einer relativ niedrigen Jugendarbeitslosigkeit von 8,9 Prozent müsse die Politik bei der "Gefahr der sozialen Ausgrenzung" ansetzen, forderte Mario Steiner vom IHS. Kinder von arbeitslosen Eltern hätten ein dreifaches Drop-Out-Risiko, Migrantenkinder ein fünffaches. In Wien sei das Drop-Out-Risiko nicht zuletzt aufgrund der Zuwanderung doppelt so hoch wie im Österreich-Schnitt. Einig waren sich alle, dass sich das Schulsystem öffnen müsse und die Förderung von Benachteiligten ab dem Vorschulalter beginnen müsse, um für jedem eine angemessene Bildung zu ermöglichen. Zudem wurde für eine "Flurbereinigung" plädiert, um Übersicht über die wachsenden Flut an Projekten zu bekommen und Zuständigkeiten zwischen Land und Bund zu klären. Das wollen auch die Wiener Grünen, die gemeinsam mit Jugendlichen das Problem Drop-Outs vstärker thematisieren wollen. (Karin Krichmayr, DER STANDARD Printausgabe, 5./6.5.2007)