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Chris Dickson weist der BMW Oracle den Weg. Der führte jedenfalls in das Halbfinale des Louis Vuitton Cups.

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Valencia - Diese Augen, diese kleinen, stechend blauen Augen - Chris Dickson wäre vielleicht ein guter Hypnotiseur geworden, nun hat er einen anderen interessanten Job: "Er ist ein Killer", sagt der Steuermann des deutschen America\s-Cup-Teams Jesper Bank über den 46-Jährigen, der vor Valencia in seiner fünften Cup-Regatta segelt. Gerade in den ersten beiden Vorrunden des Louis Vuitton Cups konnte man die Jagdkünste des Neuseeländers auf dem Wasser beobachten. Während man eigentlich eine schlagende Dominanz des Megateams BMW Oracle erwartet hatte, geriet die US-Kampagne zu Rennbeginn mehrmals schwer in Bedrängnis.

Dickson krallte sich mit seinem Segelgeschoß namens USA 98 an seinen Widersacher und wartete geduldig auf seine Chance. So auch beim Zusammentreffen der Cup-Titanen am Freitag gegen die Italiener von Luna Rossa. Am Ende reichte Dickson im Ziel ein Vorsprung von 19 Sekunden. Nun liegt BMW Oracle, das US-Team, das tatsächlich von neuseeländischen Seglern dominiert wird, an der Spitze der Tabelle vor Luna Rossa Prada und Emirates Team New Zealand. Die drei sind fix im Halbfinale, die Desafio Espanol liegt derzeit auf dem vierten Rang. Bis Mittwoch sollte das Halbfinale der Herausforderer komplett sein.

Für Dickson dürfte seine starke Leistung eine kleine Genugtuung sein. Denn Neuseeland, einer der großen Gegner BMW Oracles, konnte bis dato nicht überzeugen. Obwohl Dickson 1987 als 24-Jähriger am Steuer der ersten neuseeländischen Cup-Kampagne stand, mit der die Erfolgsgeschichte der Kiwis begann, verblasst sein Stern hinter dem von Russell Coutts. Der holte die Silberkanne 1995 und 2000 für Neuseeland, er gilt als Held in seiner Heimat. Dickson dagegen als schwieriger Kauz, dessen Hyper-Ehrgeiz und eiserner Siegeswille ihn nicht zum Liebling der Nation haben werden lassen.

Und das, obwohl er ohne Frage einer der stärksten Steuermänner ist, die der Cup jemals gesehen hat. Dickson wurde dreimal Match-Race-Weltmeister und segelte viele erfolgreiche Regatten mit dem Software-Tycoon Larry Ellison. Auf dessen Yacht Sayonara gewann er das legendäre und tragische Sydney-Hobart-Rennen 1998, bei dem sechs Segler in einem Sturm ums Leben kamen.

Brüder im Geiste

Ellison und Dickson sind exzentrische Brüder im Geiste. Sie lieben die Herausforderung und das Gewinnen über alles. Selbst Dicksons Frau Sue sagt über ihren Mann: "Er genießt nicht das Segeln an sich, sondern das Gewinnen." Eine neuseeländische Journalistin hat einmal geschrieben: "Er hasst das Verlieren. Er ist einer von den Typen, die selbst aus einem Götterspeise-Essen einen Wettbewerb machen."

Ellison dürfte die kompromisslose Einstellung an sein eigenes erfolgreiches Geschäftsleben erinnert haben. Er holte Dickson schon in sein erstes Cup-Team, das 2003 erst im Finale des Louis Vuitton Cups an der Alinghi scheiterte, die heuer den America\s Cup verteidigt. Für die aktuelle 32. Ausgabe machte er den kleinen drahtigen Mann zum mächtigsten im Cup-Zirkus. Er ist nicht nur Steuermann, sondern auch Präsident und Skipper. Und er hat nur einen Auftrag: endlich die Silberkanne zu gewinnen.

Budget-Füllhorn Dafür kann BMW Oracle aus einem quasi unerschöpflichen Budget-Füllhorn von geschätzten 150 Millionen Euro schöpfen. Dickson könnte sich höchstens selbst gefährlich werden. Dann nämlich, wenn es nicht so laufen sollte, wie man sich das vorstellt. In diesem Fall soll Dickson, der auch in seinem Team nicht als Sympathikus gilt, zu emotionalen unberechenbaren Entscheidungen neigen. Es wird sich dann zeigen, wie stark der Zusammenhalt des US-Teams wirklich ist. Vielleicht meint man deswegen in Dicksons stechenden Jägeraugen nicht nur eine Leere zu sehen, sondern auch eine leichte Melancholie - die Melancholie des einsamen Jägers. (Ingo Petz, DER STANDARD Printausgabe 07.05.2007)