Jahrhundert-Wende-Kandelaber statt Art-déco-Leuchten aus Kalifornien

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Schwarzenbergplatz: Der Entwurf des Spaniers Arribas nur vage realisiert

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"Wie leuchtet Wien?" Das war der Titel des Montagsgesprächs im Wiener Haus der Musik am 7. Mai. Dabei ging es vordergründig um Straßenbeleuchtung. Tatsächlich aber auch um Differenzen zwischen Stadtplanung und Architektur - von Ute Woltron

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Wien - "Wie leuchtet Wien?" Es darf erwartet werden, dass Chefredakteur Gerfried Sperl als vermittelndem Moderator nicht fad wird, wenn neben Elisabeth Schweeger, der Intendantin des Frankfurter Schauspielhauses, und Gerald Bast, dem Rektor der Universität für angewandte Kunst, vor allem auch Planungsstadtrat Rudolf Schicker und MAK-Chef Peter Noever auf dem Podium Platz genommen haben.

Zwist um Straßenlaternen

Anlass für die Diskussion ist ein Zwist zwischen Noever und Bast einerseits und Schicker andererseits, der sich am Misslingen eines künstlerischen Leuchten-Projektes im öffentlichen Stadtraum entlang des MAK entzündet hatte. Kurze Inhaltsangabe: Noever wollte dort in Absprache mit der Stadt eine Kolonnade alter Art-déco-Straßenlaternen aus Los Angeles aufstellen. Das Projekt stammte vom renommierten Aktionskünstler Chris Burden, scheiterte aber, wie Noever und Bast der Stadtplanung in einem offenen Brief wütend vorwarfen, an der "Geschmacksdiktatur der Bürokraten".

Keine Genehmigungen

Schicker antwortete via Standard nicht eben unwirsch, dass seitens der Stadt keine Versäumnisse vorlägen und im Übrigen "jeder Maronibrater" wisse, "welche Genehmigungen für seine Tätigkeiten einzuholen" seien. Selbiges könne man von den hohen Herren aus Kunst und Kultur wohl auch erwarten.

Ein fescher medialer Schlagabtausch, in dem letztlich jeder der Beteiligten irgendwie Recht haben könnte.

Rudolf Schicker, dem man durchaus eine ans Ungesunde grenzende Scheu vor Kritik aller Art vorwerfen kann, hat das engagierte Burden-Projekt weder hinter- noch vorangetrieben. Wahrscheinlich war es ihm völlig wurscht. Peter Noever, der wiederum weder Diplomatie noch Hierarchie-Turnerei erfunden hat, hat seinerseits gedacht, ein paar Briefe an den Planungsstadtrat würden die Sache schon in die rechten Bahnen lenken. Und in der Zwischenzeit gingen Heerscharen von pflichtbewussten Magistratsbediensteten ihrer vorgeschriebenen Dienstwege und montierten vor dem MAK die im Dienstplan vorgeschriebenen Jahrhundertwende-Kandelaber.

Die Kritik von Noever& Bast, "Wien ist, wenn ambitionierte Kunstprojekte in den Mühlen der Stadtverwaltung zerrieben werden", "wenn Bürokraten darüber entscheiden, was schön ist", mag oft zutreffen, sie an einer einzigen Person zu fixieren, ist nicht fair.

Großbetrieb erdrückt kreativere Maßnahmen

Tatsächlich ist die Stadt Wien mit ihren 70 Magistratsabteilungen und 65.000 Bediensteten ein dermaßen superregulierter Großbetrieb, dass jede kreativere Maßnahme innerhalb ihrer Grenzen zu einem ungeheuerlichen Kraftakt ausartet, weil unzählige in verschiedene Richtungen wirkende Kräfte alles, was zwei Zentimeter über die Norm ragt, erdrücken. Kanalämter ringen mit der Baupolizei, Bezirksämter mit den Flächenwidmern, die Beleuchtungs-MA mit der Stadtgestaltung und alle mit der Finanz.

Lichtmasten statt Grünfläche

Ein Beispiel für die bürokratische Verformung eines Konzeptes stellt der Schwarzenbergplatz dar: Der Entwurf des Spaniers Alfredo Arribas, der den Wettbewerb für die Neugestaltung gewonnen hatte, wurde nur vage umgesetzt: Zu dick dimensionierte Lichtmasten, befestigte Flächen, wo Grün vorgesehen war. Und ein deutlich beschnittenes Leuchtenkonzept. Um drei Grad verfehlt ist auch daneben.

Bürokratische Betonmauern

Wien ist schön und brav und langweiliger, als es sein müsste. Und die Liste derjenigen, denen das zu langsam und zu träge ist, die weggehen, um international anerkannt wiederzukehren, ist lang. Roncalli-Gründer Bernhard Paul etwa hat in einem Interview zum Falter vor langer Zeit gemeint: In Wien wäre er es gewohnt gewesen, mit einem ordentlichen Run an Sachen heranzugehen, weil hier stets Betonmauern im Wege stünden. Als er sein erstes Projekt in Deutschland verwirklichen wollte, sei er mit dieser Methode einen Kilometer über\s Ziel hinausgeschossen, weil dort die Wände nur aus Papier seien. (DER STANDARD Printausgabe 5/6.5.2007)