Wien – "Ich halte das Raiffeisen-System für nicht sehr zukunftsträchtig", spielt Jan Peters bei einer Pressekonferenz, zu der die Land- und Forstbetriebe Österreich am Mittwoch geladen hatten, auf die Lagerhäuser an, die mehrheitlich die agrarischen Grundstoffe der Bauern abnehmen. Peters ist Geschäftsführer eines 800 Hektar-Betriebes in Nordpolen, war früher Getreidehändler in London und Agrarjournalist. Seine Kritik stützt sich darauf, dass sich durch das starre System der Lagerhaus-Belieferung die Bauern von den weltweit anziehenden Getreidepreisen wenig profitieren würden.

Rund 80 Prozent des Getreidevolumens kommt über die Lagerhäuser auf den österreichischen Markt, sagt Felix Montecuccoli, Präsident der Land- und Forstbetriebe. "Die Ware wird abgekippt und der Bauer bekommt einen Preis." Seiner Meinung nach steht einem flexibleren System vor allem die "fehlende Anbindung" an die großen europäischen Warenbörsen wie Matif in Paris im Weg. Österreich verfüge mit der Börse für landwirtschaftliche Produkte in der Wiener Taborstraße lediglich über eine Informationsbörse. "Geschäfte wie Terminhandel werden dort nicht betrieben", sagt Montecuccoli. Auch fehlen so genannte "Andienungsorte", Plätze, meistens Häfen, wo die physische Übergabe der gehandelten Ware stattfindet. Deutschland verfügt über sechs solcher „Andienungsorte“. Allerdings, relativiert Monetcuccoli, stehen die kleinen bäuerlichen Betriebseinheiten in Österreich gegen einen schwungvollen Getreidehandel über eine Börse. Ernst Gauhs, bei Raiffeisen Ware Austria für den Lagerhaus-Verbund zuständig, erklärt auf Anfrage des Standard dazu, dass in den Lagerhäusern mittlerweile die Möglichkeit eingerichtet wurde, dass die Bauern Termingeschäfte für Raps abwickeln. "Für Weizen sehen wir keine Notwendigkeit. Über die europäischen Warenbörsen wird vor allem Backweizen mit niedriger Qualität gehandelt. Wir setzen mehr auf Qualitätsweizen mit hohem Proteingehalt." Peters sieht in Zukunft dauerhaft höhere Preise für Agrarprodukte.

Jahrzehnte hätten die weltweiten Vorräte für Getreide und Reis für eine Versorgung über 42 Tage gereicht; jetzt sei dieser Wert auf 21 Tage geschrumpft. "Die Welt darf sich keine Missernten mehr erlauben", sagt Peters. Ausgegangen ist der gestiegene Bedarf von Asien, wo mit steigendem Wohlstand weniger Reis dafür aber mehr Getreide und Reis gegessen wird. Verstärkt wird die Nachfrage durch den ehemaligen Mais-Exporteur USA, der rasant auf Biosprit aus Mais setzt und bereits Verarbeitungskapazitäten für 50 Mio. Tonnen Mais geschaffen hat. Das ist doppelt so viel, wie Russland und die Ukraine exportieren. (Johanna Ruzicka, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 10.05.2007)