Oleg Wladimirowitsch Deripaska (39, li.) kontrolliert künftig gemeinsam mit Frank Stronach (74) einen der weltgrößten Autozulieferer, Magna.

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Aurora/Moskau/Wien – Der austrokanadische Milliardär Frank Stronach holt den russischen Oligarchen Oleg Deripaska als bestimmenden Aktionär in den Magna-Konzern. Deripaskas Holding Basic Element wird künftig 20 Prozent der Kapitalanteile, aber 43 Prozent der Stimmrechte beim Autozulieferkonzern halten. Dafür zahlt der Russe 1,54 Milliarden Dollar (1,14 Mrd. Euro). Die Kontrolle verbleibt bei Stronach.

Magna International, mit rund 230 Fabriken mit 83.000 Mitarbeitern einer der größten Autozulieferer der Welt, gilt als der aussichtsreichste Mitspieler im Übernahmepoker um den angeschlagenen US-Autohersteller Chrysler. Vor dem Coup mit den milliardenschweren Russen hat sich Stronach bereits die Onex Corporation, einen der größten kanadischen Investmentkonzerne, als Partner gesichert. Für weitere sei er offen, sagte Stronach am Donnerstag.

Die Entscheidung über den Chrysler-Verkauf liegt beim deutschen Autokonzern DaimlerChrysler und wird noch im Mai erwartet. Die Stuttgarter sollten, so Stronachs Plan, weiter an Chrysler beteiligt bleiben. Stronach hat zuletzt laut kanadischen Medien festgehalten, es werde in der Sanierungsphase "drastische Maßnahmen" geben müssen, kündigte aber auch Gespräche mit Arbeitnehmervertretern an. Beim Deal mit Deripaska geht es vordergründig zunächst um die Expansion im russischen Markt. Magna ist mit der Kfz-Sparte von Basic Element, dem Hersteller GAS, sowie auch mit anderen Autoproduzenten bereits Kooperationen eingegangen. Heimische Politiker betonten am Donnerstag, sie seien davon überzeugt, dass die _diversen Magna-Produktionsstandorte in Österreich von der Kooperation mit Deripaska profitieren würden.

Oleg Deripaska war Ende April, anlässlich seines Einstiegs beim österreichischen Baukonzern Strabag, auf Stippvisite in Wien. Damals wurde er natürlich auch aufgrund von immer wieder aufkochenden Gerüchten gefragt: "Wollen Sie auch bei Magna einsteigen?" Der junge Oligarch winkte ab und antwortete mit Floskeln. Die Verhandlungen der Russen mit Magna waren in Wirklichkeit aber schon weit fortgeschritten.

Am Dienstag wurde offiziell bekannt gegeben, was die kanadische Tageszeitung The Globe and the Mail als "seismische Verschiebung" der Wirtschaft des Landes bezeichnet: Russian Machines, eine hundertprozentige Tochter von Deripaskas Basic Element, kauft um 1,5 Milliarden Dollar 20 Millionen Stück Stammaktien von Magna International. Damit kauft sich der Russe einen guten Teil der Verfügungsmacht über den Konzern. Am Kapital wird Deripaska 20 Prozent halten, Magna bleibt an der Börse.

Neue Holding

Magna-Gründer Frank Stronach, eigentlich die Familienstiftung Stronach Trust, bringt ebenso wie die Russen die Stimmrechte in eine neue Holding ein. Der 74-jährige Austrokanadier kontrolliert den Konzern jedoch weiter. Je 43 Prozent für Stronach und Deripaska, 14 Prozent gehen an das Magna-Management. Im Aufsichtsrat werden sechs Stronach-Leute sitzen, sechs Russen sowie zwei Co-Vorstandschefs von Magna International – der Österreicher Siegfried Wolf und der Ex-Mann von Stronachs Tochter Belinda, Don Walker. "Dass Deripaska weitere Anteile übernimmt, ist nicht beabsichtigt", sagt Wolf. Der Deal hat zwei Seiten: Einerseits ist Deripaska bereits in Russland im Automobilbau tätig, zu seiner Gruppe gehört der zweitgrößte Hersteller des Landes: GAS. In Russland, wo der Automarkt so schnell wächst, wie die Strukturen verfilzt sind, braucht man Partner, die Kontakte zur Staatsspitze haben. Das hat auch die Strabag erkannt. Deripaskas Sprecher Konstantin Panin sagt zum Standard: "Wir wollen mit diesem Engagement Magna und uns selbst helfen."

Kampf um Chrysler

Andererseits holt sich Stronach weiteres Kapital, um die Übernahme des drittgrößten US-Autoherstellers, Chrysler, durchziehen zu können. Der kanadische Equity-Fonds Onex ist ja schon mit an Bord. Stronach hat dieser Tage auch erstmals öffentlich bekannt, dass er DaimlerChrysler die derzeit noch marode US-Sparte abkaufen und diese sanieren will. "Finanziell haben wir ein brauchbares Konzept", wird Stronach in kanadischen Zeitungen zitiert. Dann wurde der russische Partner präsentiert. Quod erat demonstrandum. Stronachs Konsortium lässt die anderen Chrysler-Interessenten – US-Fonds wie Cerberus sowie Milliardär Kirk Kerkorian – verblassen.

Der 1957 gegründete Magna-Konzern ist heute einer der größten Automobilzulieferer der Welt. Sicher der am weitesten diversifizierte: Die Hersteller kaufen bei Magna so Verschiedenes wie Autositze, Sonnendächer, elektronische Komponenten, Blechteile, lassen Allradantriebe bis hin zu ganzen Autos entwickeln, die auch von Magna im Auftrag von Chrysler, Saab oder BMW unter anderem in Graz gebaut werden, im ehemaligen Steyr-Daimler-Puch-Werk und im ehemaligen Chrysler-Werk. In Österreich stehen 14 Magna-Werke und sechs Entwicklungsstandorte. Ein eigenes Magna-Auto wäre längst machbar. (Leo Szemeliker, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 11.5.2007)