Die Erfolge des Premierministers werden vom Irak-Feldzug überschattet
Redaktion
,
Nordirland: Gleich seine erste innenpolitische Reise führte Tony Blair nach Belfast. Keine andere Region Großbritanniens hat den Premierminister seither so in Anspruch genommen wie Nordirland und der Prozess, den 30-jährigen Bürgerkrieg zu beenden. Dem Friedensabkommen vom Karfreitag 1998 folgten viele Rückschläge. Vergangenen Dienstag aber wurden Blair und sein irischer Kollege Bertie Ahern Zeugen eines wahrhaft historischen Ereignisses: die Bildung einer gemeinsamen Regierung zwischen Protestanten und Katholiken. Ohne die dauernde, geduldige Aufmerksamkeit des Premiers wäre der Neubeginn in Belfast nicht möglich gewesen.
Wirtschaft: Es war Gordon Brown, der 1997 die Bank von England in die Unabhängigkeit entließ. Heute ist er nicht zuletzt wegen der positiven Wirtschaftsdaten unangefochtener Kandidat für Blairs Nachfolge. Historisch gesehen liegen Zinssatz (5,5) und Inflation (zwei Prozent) sehr niedrig, jahrelang erlebte Großbritannien beinahe Vollbeschäftigung, derzeit liegt die Arbeitslosigkeit bei 5,5 Prozent. Mit Programmen für Langzeit-Arbeitslose und Jugendliche (New Deal), einem Mindestlohn von 7,85 Euro pro Stunde sowie dem umstrittenen Kombi-Lohn hat Labour Benachteiligten gezielt geholfen. Gleichzeitig hat sich die Zahl der Pfund-Milliardäre seit 2003 auf 68 verdreifacht.
Verfassung: Labour gab Macht ab und etablierte in Wales und Schottland eigene Regionalparlamente; in Edinburgh wurden die schottischen Nationalisten bei der jüngsten Wahl stärkste Fraktion. Die Wahl für das neue Amt des Londoner Bürgermeisters gewann Partei-Rebell Ken Livingstone 2000 gegen Blairs Willen. Für alle diese Wahlen wurde das Verhältniswahlrecht eingeführt, was eine größere Parteien-Vielfalt zur Folge hatte. Im Oberhaus wurden die meisten Erb-Lords in den Ruhestand befördert. In Zukunft könnten auch die Mitglieder des Oberhauses mehrheitlich oder zur Gänze gewählt werden wie die Abgeordneten des Unterhauses.
Außenpolitik: Kein Thema überschattet Blairs Amtszeit so sehr wie der Irakkrieg. Die britische Beteiligung am US-Feldzug war höchst umstritten. Saddams Massenvernichtungswaffen blieben unauffindbar, Blair stand als Lügner da. Sein Drängen auf Fortschritte im Nahost-Friedensprozess blieb wirkungslos. Mithilfe der Afrika-Kommission gelang es dem Briten, einen weitgehenden Schuldenerlass für den schwarzen Kontinent durchzusetzen. In der Europapolitik blieb der er hinter seinem erklärten Ziel zurück, Großbritannien "im Herzen Europas" zu verankern. So bleibt die Insel langfristig außerhalb der Eurozone. (sbo, DER STANDARD, Printausgabe 11.5.2007)
Forum:
Ihre Meinung zählt.
Die Kommentare im Forum geben nicht notwendigerweise die Meinung der Redaktion wieder.
Die Redaktion behält sich vor, Kommentare, welche straf- oder zivilrechtliche Normen verletzen,
den guten Sitten widersprechen oder sonst dem Ansehen des Mediums zuwiderlaufen
(siehe ausführliche Forenregeln),
zu entfernen. Benutzer:innen können diesfalls keine Ansprüche stellen.
Weiters behält sich die STANDARD Verlagsgesellschaft m.b.H. vor, Schadenersatzansprüche
geltend zu machen und strafrechtlich relevante Tatbestände zur Anzeige zu bringen.