
Martina Pötschke-Langer (56) ist Leiterin der Stabsstelle Krebsprävention im Deutschen Krebsforschungszentrum und des WHO Kollaborationszentrums für Tabakkontrolle. Schwerpunktmäßig beschäftigt sie sich seit Jahren mit den Themen Tabakzusatzstoffe, Tabakentwöhnung und Abhängigkeit.
derStandard.at: Rund 600 chemische Zusätze können sich in einer Zigarette befinden. Wie ist es möglich, dass der Verbraucher so wenig Ahnung davon hat, was er mit jeder Zigarette inhaliert?
Pötschke-Langer: Die öffentliche Diskussion hat bislang noch nicht die Zusatzstoffe erfasst, weil selbst den Zulassungsbehörden nicht bekannt ist, welche Wirkungen und Nebenwirkungen diese Zusatzstoffe haben.
derStandard.at: Das heißt es steht nirgends geschrieben was erlaubt ist und was nicht?
Pötschke-Langer: Doch. In Deutschland gibt es ein spezielles Tabakgesetz. Ich denke in Österreich ebenso. In diesem Gesetz werden die erlaubten Zusatzstoffe aufgelistet. Das sind hunderte. Beispielsweise sind allein von den Aromastoffen mehrere hundert Substanzen erlaubt. Unverständlich ist, dass viele der zugelassenen Stoffe Krebs erzeugen können oder durch den Verbrennungsvorgang beim Rauchen zu Krebs erzeugenden Substanzen werden.
derStandard.at: Spielen die Hersteller mit offenen Karten oder wird manches überhaupt nicht angeführt?
Pötschke-Langer: Wir wissen, dass die Hersteller die Mischungsverhältnisse und die Palette an Zusatzstoffen nicht bekannt geben, obwohl sie eigentlich die Verpflichtung dazu hätten. Ich würde mir mehr Transparenz für den Verbraucher, sprich den Raucher, wünschen. Er sollte nicht nur über die Mengenverhältnisse Bescheid wissen, sondern auch wie die unterschiedlichen Zusatzstoffe untereinander agieren und welche Wirkungen und Nebenwirkungen sie haben.
derStandard.at: Sind die einzelnen Substanzen erst in der Kombination gefährlich?
Pötschke-Langer: Verschiedene Zusatzstoffe sind schon als Einzelsubstanz gefährlich, wie beispielsweise Zucker. Wir gehen davon aus, dass sehr viel Zucker unter Tabakblätter gemischt wird. Zucker verbrennt zu den krebserregenden Stoffen Acetaldehyd und Formaldehyd. Außerdem reagiert er auch mit andern Zusätzen und verändert das Säure-Basen-Gleichgewicht des Rauchs.
derStandard.at: Schmeckt die Zigarette denn mit Zucker besser oder warum sonst werden Lebensmittel dazugemischt?
Pötschke-Langer: Die Hersteller wollen zwei Dinge erreichen. Zum einen, wollen sie das Produkt so angenehm wie möglich rauchbar machen. Das ist eindeutig. Eine normale Zigarette, die nur Rohtabak enthält, schmeckt einfach nicht. Raucher vergangener Generationen haben sich immer darüber beklagt, dass das Inhalieren des Tabakrauches kratzt und brennt, also schmerzhaft ist. Das ist der Grund, warum Hersteller heute Zusatzstoffe sowohl den Tabakblättern als auch dem Zigarettenpapier dem Filter zufügen. Zusätzlich wird mit Hilfe von Zusatzstoffen das Suchtpotential des Tabaks erhöht.
derStandard.at: Ist es nicht ausschließlich das Nikotin, das süchtig macht?
Pötschke-Langer: Normalerweise liegt Nikotin im Tabak in einer Salzform vor, die sich im Hinblick auf die Suchtentwicklung nur langsam vom Körper aufnehmen lässt. Der Nikotin-Kick erfolgt dementsprechend langsam. Jedoch gelingt es mit Zusatzstoffen Nikotin schneller bioverfügbar zu machen, so dass der Kick rascher kommt. Das heißt im Klartext, die Nikotinwirkung verstärkt sich durch die Zusatzstoffe und die Kombination der Zusatzstoffe ist für diese hohe Suchtwirkung verantwortlich.
derStandard.at: Ammoniak, Methanol und Benzol sind in Reinigungsmitteln enthalten – was haben sie in einer Zigarette verloren?
Pötschke-Langer: Mit Hilfe von Ammoniak, aber auch mit Menthol soll der Rauch milder gemacht werden und so ein leichtes Inhalieren ermöglichen. Leichtes Inhalieren hat tieferes Inhalieren zur Folge. Dieses tiefe Einatmen des Rauches ist das eigentliche Problem. Der Rauch gelangt in die tiefen Atemwege und in die Lunge. Das heißt, er trifft auf eine große Gewebeoberfläche. So werden mehr Nikotin und gleichzeitig natürlich auch die Gesamtgifte des Tabakrauches aufgenommen.
derStandard.at: Lassen sich Light-Zigaretten nicht auch leichter inhalieren?
Pötschke-Langer: So ist es. Das macht gerade diese leichten Produkte so besonders gefährlich, weil sie es dem Raucher ermöglichen tief zu inhalieren. Die Belastung für den Körper wird durch die vielen unheilvollen Zusatzstoffe also noch größer.
derStandard.at: Unheilvolle Zusatzstoffe. Was genau heißt das?
Pötschke-Langer: Das heißt, dass hochgiftige, krebserzeugende und genverändernde Substanzen in der Zigarette gemeinsam eine gefährliche Kombination sind. Derzeit kennt man über 70 krebserregende Stoffe und es werden immer wieder neue identifiziert. Giftige Substanzen sind es einige hundert.
derStandard.at: Welche giftigen Substanzen zählen hier noch dazu ?
Pötschke-Langer: Arsen, Cadmium und zum Beispiel Polonium 210. Dieser radioaktive Stoff ist im Zigarettenrauch enthalten und greift die Lungenbläschen an.
derStandard.at: Was versteht man unter einem Rauchweichmacher?
Pötschke-Langer: Ammoniak, Harnsäure und Menthol sind beispielsweise Rauchweichmacher. Sie erhöhen den pH-Wert und ermöglichen damit das vorhin erwähnte leichtere Inhalieren. Damit wird die Zigarette natürlich viel attraktiver.
derStandard.at: Was macht Teer so gefährlich?
Pötschke-Langer: Teer entsteht erst während der Verbrennung der Zigarette. Er ist ein Endprodukt, das sich im Lungengewebe ablagert. Gefährlich ist er vor allem weil der Körper irgendwann nicht mehr in der Lage ist, diese hochgiftige und krebserzeugende Substanz zu eliminieren.
derStandard.at: Ist auch die Naturzigarette, die nur Rohtabak enthält, gefährlich?