Jerusalem - Der Rücktritt seines Außenministers und der Selbstauflösungsbeschluss des Parlaments hätten ihn "nicht überrascht", versicherte Israels Ministerpräsident Ehud Barak am Mittwoch. "Im Sommer werden wir unsere Regierung erweitern und weiterhin in Richtung Frieden marschieren". Wie er dies bewerkstelligen könnte, wollte Barak allerdings nicht verraten. Beobachter rätselten, ob er vielleicht einen Trumpf in der Hand hält, von dem noch niemand etwas weiß. Während der dreimonatigen parlamentarischen Sommerpause wird in Israel jedenfalls keine Ferienstimmung herrschen. Dem Premier stehen mehrere Wege offen. Sollte er trotz des gescheiterten Camp-David-Gipfels heimlich doch schon einen annehmbaren Vertrag mit Yasser Arafat in der Tasche haben, könnte die Stimmung umschlagen. Vielleicht war das Durchsickern von angeblichen israelischen Konzessionen ein geschickter Versuchsballon - für die israelische Bevölkerung wie für die Palästinenser. Damit haben jetzt beide Seiten Gelegenheit, ihre eigenen Positionen auszudiskutieren. Vielleicht doch "Weg der Mitte" Die Israelis könnten sich an geplante Zugeständnisse in Jerusalem und bei anderen Fragen "gewöhnen", während den Palästinensern vor Augen geführt wurde, dass ein Bestehen auf Maximalpositionen weder einen Staat noch Frieden bringt. Bei der nächsten Runde in Camp David könnten Barak und Arafat dann vielleicht doch einen "Weg der Mitte" finden. Sollte Barak mit einem "guten" Vertrag heimkehren und bei einer Volksabstimmung die Mehrheit dafür bekommen, würden gewiss mehrere der jüngst abgesprungenen Ex-Koalitionspartner wieder auf seinen lädierten Karren springen. Sollte ein Friedensvertrag jedoch "unmöglich" sein - aus israelischer Sicht wegen "Arafats Unfähigkeit zum Frieden und dessen Sturheit", dann könnte Barak sogar die am Mittwoch erneut von Oppositionschef Ariel Sharon erhobene Forderung nach einer "Aufkündigung der Osloer Verträge" unterschreiben. Am 13. September laufen diese zeitlich befristeten Abkommen ohnehin aus und müssten förmlich verlängert oder durch einen neuen Vertrag ersetzt werden. Eine große Koalition der Arbeiterpartei mit dem Likud-Block ohne Notwendigkeit, den umstrittenen Friedensprozess fortzuführen, könnte sich auf die überfälligen innenpolitischen Fragen stürzen: "Langer Schultag", Befreiung vom Militärdienst für Fromme, Kindergeld für Großfamilien usw. Bis Ende Oktober läuft Baraks Gnadenfrist, zur Not auch ohne Regierung die Geschicke des Landes zu leiten. Die wenigsten Abgeordneten wünschen wirklich Neuwahlen, weil sie befürchten, ihre lukrativen Diäten zu verlieren und weil auch vorgezogene Wahlen keine stabileren Mehrheitsverhältnisse versprechen. (APA)