Nicht eine schlichte Politikänderung, sondern einen radikalen Kurswechsel haben die Bush-Kritiker seit Monaten verlangt, um die USA aus ihrem doppelten Debakel am Golf zu steuern: dem Krieg im Irak, der verloren, aber nicht aufgebbar ist und dem Streit um das Nuklearprogramm des Iran, das umso schneller voranzuschreiten scheint, je öfter sich der UN-Sicherheitsrat zu Sanktionen bereitfindet. Den Kurswechsel haben die Gegner des US-Präsidenten jetzt erreicht, formal zumindest und - warum nicht - vielleicht auch bald mit ersten Ergebnissen. Washington spricht endlich mit dem Iran, dem Mitglied der "Achse des Bösen", über Mittel und Wege zur Eindämmung des Terrors im Irak.

Ein amerikanisch-iranisches Protektorat über den Irak mag eine wunderliche Veranstaltung sein, ein irrwitziger Versuch vor allem für die neokonservativen Kriegsstrategen um den amerikanischen Vizepräsidenten Dick Cheney. Eine realpolitische Gleichung bleibt es allemal. Washington und Teheran haben dasselbe Interesse, einen Deckel auf die Gewalt im Irak zu drücken - die Iraner, weil das Chaos im Nachbarland ein Maß erreicht hat, das auch den iranischen Staat belastet, die Amerikaner, weil ohne rudimentäre Sicherheit im Irak ein Abzug undenkbar ist. Der iranische Vizeaußenminister Abbas Araghchi brachte es in einem Interview mit der Financial Times auf eine Formel: "Die amerikanische Invasion war ein Desaster - lasst nicht noch einen desaströsen Rückzug folgen." Nicht schön für Bush und Cheney, aber zutreffend.

Der gewaltsame Regimewandel im Irak, der das Land und einen Großteil seiner Menschen in den Abgrund gerissen hat, schafft auch Abhängigkeiten für die Nachbarländer. Ein Irak ohne US-Soldaten wäre für Teheran zum jetzigen Zeitpunkt ein bedrohliches Vakuum, ein Irak ohne US-Präsenz, aber unter schiitischer Kontrolle aus Teheran der Albtraum für die Amerikaner. Irgendwo in der Mitte werden sie einander treffen müssen. (DER STANDARD, Printausgabe, 15.5.2007)