Dodo Roscic: Die Sendung soll "authentisch wirken".

Foto: ORF/Badzic

Florian Pollack: "Ein gesundes Leben braucht mehr als nur Rauchverbote".

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"Fernseher abschalten, sonst bekommt man noch Augenkrebs." Ganz so schlimm wie User Iri Bodkan in einem Posting die Diskussion rund um Tabak- und Alkoholgenuss im neuen ORF-Format "Extrazimmer" kommentiert, ist es wohl nicht. Dennoch herrscht dicke Luft um und in der von Christian Seiler und Dodo Roscic konzipierten Talksendung. Jugendschützer monieren, dass öffentlich-rechtliches Fernsehen eigentlich eine Vorbildfunktion haben sollte. Teenager werden durch das hedonistische Treiben zur Nachahmung animiert, so der Grundtenor der Kritiker. Laut ARD-Programmdirektor Struve wäre so eine Sendung im Ersten "unmöglich". ORF-Generaldirektor Wrabetz erwägt jetzt, den blauen Dunst aus dem "Extrazimmer" mit einer Weisung zu verbannen.

Rauchen und Trinken Teil des Konzepts

Zu etat.at meinte Dodo Roscic, dass das Format als Wirtshausrunde angelegt ist, wo eben auch getrunken und geraucht wird. Der Talk soll dadurch "authentischer" wirken: "Es war immer schon unsere Intention, diese Sendung aus der mittlerweile üblichen slicken, stromlinienförmigen, aseptisch-kühlen Studio-Atmosphäre hinein ins Reale zu holen." Falls sich ein Gast durchs Qualmen gestört fühlt, wird "selbstverständlich" darauf verzichtet. Einen Tabubruch kann Roscic nicht orten: "Wir bilden höchstens eine mögliche Realität in einem Extrazimmer ab, irgendwo in Österreich. Wochentags um 23 Uhr." Der ORF habe außerdem in dafür geeigneten Sendungsgefäßen "hundertfach" darüber berichtet, dass Rauchen ungesund sei.

"Schlechtes Beispiel" für Jugendliche

Christoph Lagemann, Leiter des Instituts für Suchtprävention, sieht das im Gespräch mit etat.at naturgemäß anders. Da sich Jugendliche an der Erwachsenwelt orientieren, sei Bofeln in der Öffentlichkeit generell ein "schlechtes Beispiel". Ob Teenager wirklich zu qualmen beginnen, nur weil Herr Pollack in der "Herrenrunde" oder Frau Dohr in der "Damenrunde" zum Glimmstängel greifen? Ja, meint Lagemann, da sie den Konnex zwischen Rauchen und Entspannung vor Augen geführt bekommen. Eine in den USA durchgeführte Studie habe bewiesen: Je öfter Heranwachsende mit Rauchereignissen in Medien konfrontiert werden, desto eher werden sie einmal dem Tabakkonsum frönen.

Für Florian Pollack, Unternehmenssprecher von ONE und einziger Raucher in der "Herrenrunde", ist die aktuelle Debatte "grundsätzlich sinnvoll und effektiv". Die Diskussion hält er jedoch angesichts von "Alkoholismus und zu viel Schweinebraten am Speiseplan" für verkürzt, so Pollack zu etat.at. Ein gesundes Leben brauche mehr als nur Rauchverbote. Der Umgang mit und nicht der Zugang zu Zigaretten, Bier und Stelze sollten seiner Meinung nach verstärkt thematisiert werden.

"Tabubruch für öffentlich-rechtlichen Sender"

Im Gesundheitsministerium werden andere Töne angeschlagen. Der ORF solle sich seiner Vorbildfunktion gerade im Bereich Nichtraucherschutz bewusst werden, kritisiert Jürgen Beilein, Pressesprecher von Bundesministerin Andrea Kdolsky. Es wäre ein "positives Signal, auf den schädlichen Passivrauch zu verzichten", hofft Beilein auf Anfrage von etat.at auf ein Umdenken im ORF. In dieselbe Kerbe schlägt auch der Kommunikationswissenschafter Peter Vitouch, der "natürlich" einen "Tabubruch" bei einem öffentlich-rechtlichen Sender konstatiert. Vor allem die Jugendlichen werden durch das Qualmen im "Extrazimmer" bestärkt: "Sie merken, dass dies besonders klass ist und man sich nicht um andere scheren muss."

Talksendungen in der ARD sind rauchfrei

Die Debatte wird auch in Deutschland registriert. ARD-Programmdirektor Struve erklärte etat.at, dass "so eine Sendung im Ersten unmöglich wäre". Talksendungen der ARD sind inzwischen grundsätzlich rauchfrei. "Seltene Ausnahmen" gibt es laut Struve lediglich, wenn ein Gast unbedingt rauchen will und die anderen nichts dagegen haben. In eigenproduzierten Filmen und Serien werde Tabakkonsum nur gezeigt, wenn er dramaturgisch begründet ist.

Ob der "ORF Neu" in Zeiten von immer restriktiveren Anti-Raucher-Gesetzen und Verboten von Tabakwerbung den "Tabubruch" prolongieren wird, steht noch nicht fest. Programmdirektor Wolfgang Lorenz hält nichts von "Vormundschaften" und Alexander Wrabetz befindet sich noch im Zwiespalt. Es wird "vielleicht" eine Weisung geben, die dem Rauchen und Trinken im "Extrazimmer" ein Ende bereitet, so der Generaldirektor. (Oliver Mark/derStandard.at, 16.5.2007)