London/Wien - Noch drei Jahre, bis 2010, bleiben den europäischen Ländern, den "Bologna-Prozess" zu erfüllen und damit den Europäischen Hochschulraum zu verwirklichen. 1999 hatten dazu 29 Länder die "Bologna-Erklärung" unterzeichnet, mittlerweile verfolgen 45 Staaten dieses Ziel. Deren Bildungsminister ziehen Donnerstag und Freitag bei der vierten "Bologna"-Konferenz in London Zwischenbilanz über diesen Prozess, der sich vor allem durch die Umstellung auf Bachelor- und Master-Studiengänge bemerkbar macht. Österreich, in London vertreten durch Wissenschaftsminister Johannes Hahn, präsentiert sich dabei als Musterschüler und erreicht bei der Bestandsaufnahme über den Umsetzungsgrad den sechsten Platz von 45 Ländern.

Spitzenreiter Irland

Der Grad der Umsetzung der in der "Bologna-Erklärung" vereinbarten Ziele wird an Hand von zwölf Bereichen gemessen. Österreich erreicht hier nach Angaben des Wissenschaftsministeriums 53 von 60 möglichen Punkten. An erster Stelle liegt Irland, gefolgt von Dänemark, Norwegen und Schottland (gemeinsam auf Platz zwei), Finnland (3), Ungarn (4), Island und Schweden (beide 5). Deutschland liegt an 9. Stelle, Frankreich auf Platz zehn, Italien auf Rang elf.

An den österreichischen Universitäten wurden im Wintersemester 2006/07 211 Bachelor- und 278 Master-Programme angeboten. Das entspricht einem Umsetzungsgrad von 42 Prozent im Vergleich zu der Zeit vor der "Bologna-Erklärung", wobei allerdings auf Grund der derzeitigen Gesetzeslage nicht alle Studien umgestellt werden: so bleiben etwa Medizin, die Lehramtsstudien oder Jus - zumindest vorerst - noch im alten Diplomstudien-System. An den Fachhochschulen ist der Umsetzungsgrad mit 77 Prozent noch deutlich höher, hier werden 115 Bachelor- und 33 Master-Programme angeboten, die noch existierenden Diplomstudien sind praktisch alle im Auslaufen.

Nachholbedarf bei Einführung eines nationalen Qualifikationsrahmens

Gut beurteilt wird Österreich u.a. auch bei Maßnahmen, die die internationale Anerkennung von erworbenen Kenntnissen und Abschlüssen erleichtern sollen. So werde etwa das sogenannte Diploma Supplement flächendeckend angeboten, ein englischsprachiger Zusatz zum Diplom für die Vergleichbarkeit von Abschlüssen, sowie das ECTS-System (European Credit Transfer and Accumulation System) für die Vergleichbarkeit von Prüfungen. Nachholbedarf gibt es bei der Einführung eines nationalen Qualifikationsrahmens, ein neues Instrument zum Vergleich der Ausbildungsniveaus zwischen den Ländern.

Hahn nutzt die Versammlung von 45 europäischen Bildungsminister aber auch zur Lösung des derzeit dringlichsten Problems der österreichischen Hochschulpolitik, der Uni-Zugangs-Frage. "Mit ist es ein Anliegen, den Ansturm in Medizin auf europäischer Ebene zu thematisieren und hier ein Problembewusstsein zu schaffen", sagte der Minister gegenüber der APA. Er setzt sich deshalb auch dafür ein, im Schluss-Kommunique der London-Konferenz die Frage der "gerechten Mobilitätsverteilung" zu verankern. "Es geht darum, im europäischen Geist eine gerechtere Verteilung der Mobilität sicherzustellen, damit kleine Länder nicht überfordert werden", sagte Hahn.(APA)