Auch der Iran, Syrien und Saudi-Arabien arbeiteten an der Implementierung der Antiterror-strategie mit, sagt UN-Diplomat Robert Orr.

Zur Person:
Der Amerikaner Robert C. Orr ist Assistant Secretary General der UNO für politische Koordination und strategische Planung. Daneben ist er Chef der Taskforce zur Implementierung der UN-Antiterrorstrategie. Zuvor war Orr Direktor des Belfer Center an der Kennedy School in Harvard.

Standard/Andy Urban
Standard: Im Herbst haben alle 192 UN-Mitgliedsstaaten eine globale Antiterrorstrategie beschlossen. Wie steht es um deren Implementierung?

Orr: Wir sind erst ganz am Anfang. Der größte Schritt bisher ist, dass sich das UN-System koordiniert hat. Wir haben 24 UN-Organisationen, die nun alle in der Terrorbekämpfung zusammenarbeiten. Das ist wirklich außergewöhnlich, weil viele dieser Organisationen den Antiterrorkampf gar nicht in ihren Mandaten haben. Auch unter den Mitgliedstaaten gab es Fortschritte. Es herrscht Hunger nach partnerschaftlichem Vorgehen in dieser Frage. Der Wunsch nach Implementierung ist sehr hoch, in Wien haben wir die nächsten Schritte diskutiert.

Standard: Wie funktioniert die Kooperation mit Staaten, denen die Unterstützung und Finanzierung von Terrorismus nachgesagt wird? Syrien etwa, Iran oder Saudi-Arabien.

Orr: In den Verhandlungen über die Strategie und in der ersten Implementierungsphase haben wir eine aktive Mitarbeit auch dieser Staaten gesehen. Je weiter wir kommen, desto mehr werden wir sehen, dass gewisse Staaten in gewissen Fragen die Führungsrolle übernehmen. Was wir wollen, ist, alle Mitglieder im Prozess involviert zu halten. Beispiel Terrorismusfinanzierung: Da versuchen wir schon jetzt, alle Staaten an eine Leadership-Gruppe anzubinden. Das Modell heißt Freiwilligkeit. Es werden nicht alle Staaten in allen Bereichen gleich eingebunden sein, aber zumindest in einem guten Teil davon.

Standard: Kooperieren die USA und der Iran in dieser Frage?

Orr: Wir sehen Kooperation – nicht notwendigerweise gemeinsam, aber eben über die UNO. Das spricht für unseren Ansatz. Beide Staaten an Bord zu haben ist einzigartig.

Standard: Von Militärs wird Terrorismus als asymmetrisch Bedrohung eingestuft, das gilt gewissermaßen auch für die terroristische Ideologie. Besonders für den islamistischen Terrorismus. Was tun dagegen?

Orr: Die Frage, die wir hier diskutieren, ist jene der Radikalisierung. Was macht eine ‚normale Person‘ zu einem Terroristen? Dazu bedarf es eines langen Prozesses. Wir sehen diesen Prozess in einer beschleunigten Form in jenen Regionen der Welt, wo Ideologie und kollektive Gefühle von Machtlosigkeit und Demütigung am stärksten sind. Das kann durch aktuelle Verhältnisse, historische Muster, politische oder religiöse Entwicklungen ausgelöst sein.

Was immer der Grund dafür ist, wir müssen auf Bedingungen aufpassen, die den Terrorismus fördern, aber wir müssen auch den Prozess im Auge behalten, der dazu führt. Einem Terroranschlag geht eine lange Kette von Vorfällen voraus. Können wir diese Kette an einer Stelle unterbrechen – bei der Finanzierung, der Ideologie, mit Strafverfolgung – stoppen wir Terroristen.

Standard: Es scheint etwas schwierig, diese Kette mit guten Argumenten zu unterbrechen, so lange etwa die USA hunderte Menschen in Guantánamo im Namen der Freiheit jahrelang ohne Anklage festsetzen.

Orr: Viele Staaten haben ihre Bedenken geäußert, wenn es um die Einhaltung von Menschenrechten in der Terrorismusbekämpfung geht. Wir alle müssen klar machen: In dieser Frage gegen Menschenrechte zu verstoßen, ist kontraproduktiv.

Ohne den von Ihnen angesprochenen Fall kommentieren zu wollen: Das ist nicht der einzige Fall, bei dem dies kritisiert worden ist. Ein Teil der Implementierung der Antiterrorstrategie ist es, die Staaten daran zu erinnern, was ihre menschenrechtlichen Verpflichtungen sind.

Standard: Es gibt keinen geografischen Fokus in der Strategie. Was ist mit dem Irak?

Orr: Am Irak kann man nicht vorbei, das ist richtig. Aber wir dürfen uns nicht festlegen. Die Natur der Bestie Terrorismus verändert sich jeden Tag. (Christoph Prantner/DER STANDARD, 19./20.5.2007)