Schlafuntersuchung an der medizinischen Universität Wien belegt geschlechterspezifische Unterschiede

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Wien - Frauen schlafen ohne ihren Partner weitaus besser. Bei Männern verhält es sich genau umgekehrt: Ihr Schlaf ist ruhiger und erholsamer, wenn sie die Nacht neben ihrer Partnerin verbringen. Das zeigt eine neue Studie des Verhaltensbiologen John Dittami von der Universität Wien. Sex wirkt sich positiv auf den Schlaf aus, sowohl bei Männern als auch bei Frauen. In einer weiteren Untersuchung konnten die Wissenschafter zeigen, dass die innere Uhr bei Frauen und Männern anders tickt.

Schlafqualität durch Bewegungsmuster

Für die im Fachjournal "Sleep and Biological Rhythms" publizierte Studie hat Dittami gemeinsam mit Gerhard Klösch und Josef Zeitlhofer von der Universitätsklinik für Neurologie der Medizinischen Universität Wien zehn heterosexuelle Paare (unverheiratet, kinderlos, zwischen 21 und 31 Jahre alt) in ihrem Schlafverhalten beobachtet. Von den insgesamt 249 beobachteten Nächten wurden 123 alleine verbracht und 126 gemeinsam. Untersucht wurde sowohl das subjektive Schlafempfinden der Testpersonen als auch die objektive Schlafqualität anhand des Bewegungsmusters während der Nacht, das Auskunft über Schlafstrukturierung und -qualität liefert, so Dittami.

Männer besser mit Partner, Frauen besser ohne

"Sowohl die subjektive Einschätzung als auch die Daten am Messgerät zeigten uns, dass Frauen in ihrem Schlafverhalten auf die Anwesenheit eines Bettpartners wesentlich sensitiver reagieren als Männer. Diese hingegen schlafen wiederum schlechter ohne Partnerin. Mit Partnerin kam es sogar zu einer wesentlichen Verbesserung objektiver und subjektiver Schlafparameter, wie Nächte ohne Wachphasen oder ein munteres Gefühl in der Früh", so Dittami.

Vorteilhaft für beide Geschlechter ist Geschlechtsverkehr. In den 67 Untersuchungsnächten, in denen sexueller Kontakt stattfand, wirkte sich das sowohl bei Frauen als auch bei Männern positiv auf den Schlaf aus, sagte Dittami.

Evolutionär bedingt

Der Verhaltensbiologe vermutet, dass die Schlafstörungen von Frauen evolutionär bedingt sind. "Die Frau reagiert auf den Mann. Sie ist auf jede Bewegung empfindlich", so der Wissenschafter, der damit Bezug auf den niedrigeren Schwellenwert für Umweltreize der Frauen nimmt, weil sie für den Nachwuchs sorgen müssten. Dittami verweist zudem auf die Sozialisierung von Schlaf: Generell war das Schlafen in Gruppen vom Urmenschen bis zum modernen Menschen die Regel.

Doppelbett ist junge Erfindung

Erst mit der Entstehung von Privatheit und Intimität als sozial akzeptierte Verhaltensnormen entwickelte sich das für moderne Industriegesellschaften typische Paarschlafverhalten. Das Doppelbett ist also eine relativ junge Erfindung, die auf einige westliche Kulturen begrenzt ist.

Dittami: "Der Mann besitzt diese Empfindlichkeit - etwa für Bewegungen des Nachwuchs - nicht. Er reagiert auf den Paarschlaf wie auf einen Gruppenschlaf, in dem er sich besonders sicher fühlt."

Gruppenschlaf bietet Sicherheit

Der Gruppenschlaf, meint der Forscher, würde auch den Frauen Sicherheit geben, "wenn nur das Bett größer wäre". Die Ergebnisse der Wissenschafter decken sich übrigens mit anderen Schlafstudien, die zeigen, dass 65 Prozent der Frauen unter Schlafstörungen leiden, aber nur rund 20 Prozent der Männer.

Gezwungen früh aufzustehen

Auch die Ergebnisse des zweiten Teils der Studie über den geschlechterspezifischen Arbeitstag- und Wochenendrhythmus zeigte, dass Frauen empfindlicher auf Außenreize reagieren. Die Wissenschafter wollten dabei die unterschiedliche Reaktion der Geschlechter auf ein Phänomen untersuchen, das "sozialer Jetlag" genannt wird.

"Wir leben in einer Welt der Frühaufsteher, aber rund 80 Prozent sind viel eher Abendtypen. So werden rund drei Viertel der Menschheit gezwungen, früh aufzustehen und sich an unangenehme soziale Zeitgeber zu gewöhnen", so Dittami.

Geringere Rhythmusschwankungen bei Männern

Die Auswertung des Schlaf-/Wachrhythmus von 23 Frauen und 13 Männern zeigte, dass die Phasenlage von Männern an Arbeitstagen und freien Tagen weniger Schwankungen aufwies als jene der weiblichen Versuchspersonen. Frauen strengten sich an Arbeitstagen mehr an und erholten sich mehr an freien Tagen, d.h. sie schalten an Arbeitstagen und freien Tagen mehr um. Dieser Umstellungsprozess, ähnlich jenem beim Jetlag, kann wiederum in schlechterem Schlaf resultieren.

Weitere Untersuchungen

"Beide Studienteile lassen noch viele Fragen offen, die wir in Folgeprojekten beantworten möchten, unter anderem: Wer funktioniert unter der Woche besser und wer am Wochenende? Oder: Gibt es eine Art von verstecktem Gewinn für die Frauen beim Paarschlaf?", so Dittami. Klar sei jedenfalls, dass Männer und Frauen "anders ticken" und dies auch zur Verstärkung von an Schlafstörungen gekoppelten Leiden wie Depressionen führen könne. (APA)