Nach knapp vierwöchiger Suche hatte der Siemens-Aufsichtsrat am Sonntag überraschend Löscher zum Konzernchef ernannt. Er ist der erste Siemens-Chef in der 160-jährigen Firmengeschichte, der von außen kommt. "Anscheinend haben sie gezielt einen Externen an Bord geholt, der auf keinen Fall mit den Affären bei Siemens in Verbindung steht", sagte Branchenexperte Ingo Queiser von Kepler Equities.
"Überraschung für den Markt"
Der neue Mann an der Siemens-Spitze sei "eine echte Überraschung für den Markt", sagte Fondsmanager Raimund Saxinger von Frankfurt Trust. "Ich finde es gut, dass es jemand von außen ist, dass er relativ jung ist und auch einen angelsächsischen Hintergrund hat", meinte Jochen Klusmann von der BHF-Bank.
Der 49-jährige Löscher sitzt seit gut einem Jahr im Vorstand des US-Pharmariesen Merck und ist in der deutschen Öffentlichkeit weitgehend unbekannt. Am 1. Juli löst er Klaus Kleinfeld ab, der im Zuge der Korruptionsermittlungen seinen Rückzug erklärt hatte. In den nächsten Wochen will Löscher, der noch am Sonntag zurück in die USA reiste, seine Aufgaben bei Merck in New Jersey zu Ende bringen.
Schwieriges Erbe
Der bayerische IG-Metall-Chef Werner Neugebauer sagte, Löscher müsse das Unternehmen wieder in ruhigeres Fahrwasser bringen und die Affären aufklären. Der traditionsreiche Konzern wird seit Monaten von mehreren Korruptionsaffären erschüttert; Millionensummen sollen als Schmiergeld ins Ausland und an eine managementfreundliche Arbeitnehmer-Organisation geflossen sein. Kunden wie Mitarbeiter begrüßten laut Neugebauer die schnelle Entscheidung für Löscher. "Es herrscht gespannte Erwartung." Löscher könne den Erfolgskurs Kleinfelds fortsetzen, sagten Analysten. Ben Uglow von Morgan Stanley verglich den neuen mit dem amtierenden Siemens-Chef: "Er hat signifikante US- und internationale Erfahrung und ist relativ jung - eigentlich wie Kleinfeld."