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Foto: Reuters/Nikolay Doychinov
Der Bürgermeister von Sofia erscheint gerne im Ledermantel, mit Zigarre im Mund, auf seinem Schreibtisch steht getrockneter Stierhoden. Bojko Borrisow liebt Selbstinszenierungen. Seit 2005 spielt er in der bulgarischen Hauptstadt den Aufräumer. Und die Sofioter lieben ihn dafür, dass er das Müllproblem in den Griff bekommen hat. 2006 deckte er auch den Skandal um den Direktor des Sofioter Heizwerks auf, der 3,2 Millionen Euro auf ein österreichisches Konto verfrachtet hatte.

Als Generalsekretär im Innenministerium während der Amtszeit von Premier Simeon Sakskoburgotski (2001-2005) hatte er sich schon als Mafiajäger, der Falschgelddruckereien schließen ließ und Drogenringen auf die Spur kam, einen Namen gemacht. Nun ist "Bojko", wie ihn die Bulgaren kurz nennen, zum neuen Politstar aufgestiegen. Mehr als 21 Prozent der Stimmen bei der Wahl zum europäischen Parlament am Sonntag gingen an seine erst im Vorjahr gegründete Partei "Bürger für eine europäische Entwicklung in Bulgarien" Gerb (kurz Wappen). Gerb stellt nun fünf der 18 bulgarischen EU-Parlamentarier.

Das gute Abschneiden hat sicher damit zu tun, dass die Bulgaren, die zur Wahl gingen (weniger als ein Drittel), eher zu den Protestwählern gehören. Doch Gerb hat durchaus Chancen, zur führenden bürgerlichen Partei zu werden.

2005 entschied sich Borissow Bürgermeister zu werden, weil er nicht in einer Regierung mit den Sozialisten sitzen wollte. Seine Begründung: Die Kommunisten hätten seinen Großvater umgebracht, und die Sozialisten seien deren Nachfolgepartei. Dass Borissow selbst ein Leibwächter des letzten KP-Chefs Todor Schiwkow war und von 1982 bis 1990 zahlreiche Funktionen im Innenministerium innehatte, erwähnte er bei dieser Gelegenheit nicht. Der Karatekämpfer, der die bulgarische Nationalmannschaft trainiert hat, gründete 1990 die private Sicherheitsfirma Ipon-1 und war für den persönlichen Schutz von Sakskoburgotski zuständig. Sein hartes Vorgehen gegen die Straßenkriminalität fand sogar Eingang in einem Comicstrip, wo Borissow mit Batman-Qualitäten dargestellt wurde.

Borissow ließ bulgarische Beamte von westeuropäischen, auch österreichischen Polizisten trainieren. Auch die Jugendorganisation seiner Partei Gerb besuchte ein Seminar in Wien. Überhaupt scheint er die österreichische Hauptstadt zu mögen, jedenfalls wünschte er sich, dass "Sofia das Wien des Balkans wird". Trotz seines Saubermann-Images reißen die Gerüchte nicht ab.

Jüngst schrieb der US-Journalist Jeff Stein im Congressional Quarterly über Borissows Beziehungen zur Unterwelt. Borissow lud ihn daraufhin nach Sofia ein und meinte, dass der Artikel von jenen "organisiert" worden sei, die ihn und seine Partei fürchten. (Adelheid Wölfl/DER STANDARD, Printausgabe, 22.5.2007)