Studie von Stefan Karner
Karner war nach aufkommen der neuen Fakten als Leiter des Ludwig Boltzmann Instituts für Kriegsfolgen-Forschung von Bartenstein beauftragt worden, die Geschichte des Schlosses zu erforschen. Die Rede war damals von einem Außenlager des KZ Mauthausen. Dem Minister - dessen Vater in den 50er Jahren in die 1947 gegründete Lannacher Heilmittel GmbH einstieg, um sie 1966 zu übernehmen - war dies neu, was ihm Kritik vor allem von politischer Seite einbrachte. Bereits damals konnte man Fakten etwa im Internet nachlesen.
Gedenktafel
Bartenstein sprach von einem "fürwahr düsterem" Kapitel in der 400-jährigen Geschichte des Schlosses. "Ich werde dafür Sorge tragen, dass in den nächsten Monaten eine entsprechende Gedenktafel vorbereitet wird." Angebracht soll diese am so genannten Schüttboden, einem Nebengebäude des Schlosses, werden, wo die Frauen untergebracht gewesen seien. Mit der Aufarbeitung zeigte sich Bartenstein zufrieden: "Wir haben das bestmöglich bearbeitet."
Nichts mitbekommen
Auch Karner gab zu, dass er erst 2006 davon erfahren hatte. Er entlastete Bartenstein größtenteils, selbst in der Bevölkerung habe man davon nichts mitbekommen. Bei der Recherche kam zum Vorschein, dass Lannach ein von der SS betriebenes "Institut für Pflanzengenetik" gewesen sei. Zu der danach betriebenen Heilmittel GmbH gebe es aber nicht die geringste Verbindung, so Karner. Nach Kriegsende seien alle Spuren beseitigt worden. Karner auf die Frage, ob es ein Kontinuum gebe: "Ja, es sind die Mauern des Schlosses - und mehr ist nicht mehr da."
"Das Schloss war kein Hochsicherheitstrakt, sondern frei zugänglich", sagte auch Philipp Lesiak, der ebenfalls an der Studie gearbeitet hat. Nach dem Anschluss Österreichs an Hitler-Deutschland seien dort bereits SS-Einheiten, Polizisten und sogar ein Kindergarten untergebracht gewesen. Eine spezielle Rolle in der Historie des Bauwerks spielt auch der k.u.k.-Offizier Franz Kandler, ein ehemaliger Besitzer des Schlosses. Er beschäftigte in seiner Dachziegel- und Tonwarenfabrik insgesamt 180 Zwangsarbeiter, die nicht von den neun KZ-Häftlingen zu unterscheiden gewesen seien.
Zeuginnen Jehovas
Die neun weiblichen Häftlinge waren Zeuginnen Jehovas aus Österreich, Mähren, Böhmen und Polen, die aus dem KZ Ravensbrück kamen. Auf Grund der geringen Fluchtgefahr hätten sich diese Frauen aber weitgehend frei bewegen dürfen, so Karner. Nach außen ersichtliche Sicherheitsmaßnahmen habe es nicht gegeben. Zu diesem Schluss ist auch die Zeugen-Jehovas-Expertin Heide Gsell gekommen. "Alle neun haben überlebt", so Gsell. Für manche sei es sogar eine "Erlösung" gewesen, von den wesentlich härteren Bedingungen in Ravensbrück wegzukommen.
"Enormes Forschungsdefizit"