Mehr Atomstrom für eine sauberere Umwelt will die britische Regierung anstreben. Um den Ausstoß von Kohlendioxid wirkungsvoll zu vermindern, soll die Planung neuer Reaktoren beschleunigt werden. Allerdings will die Regierung keine Anlagen subventionieren - Von Sebastian Borger aus London

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Die britische Regierung stellt die Weichen für eine Renaissance der Atomwirtschaft auf der Insel. Nachdem Labour am Montag neue Gesetzesvorschläge für eine Beschleunigung von Planungs- und Baurecht vorgelegt hatte, bekräftigte der für Energie zuständige Industrieminister Alistair Darling am Mittwoch im Unterhaus ein Regierungsbekenntnis zum Atomstrom.

Acht neue Atommeiler geplant

Nuklearreaktoren würden "auch in Zukunft einen wichtigen Beitrag zur Energieversorgung leisten", sagte Darling. Zur Begründung führte Darling den Klimaschutz an: "Bei der Erzeugung von Atomstrom entsteht vergleichsweise wenig Kohlendioxid." Vor seiner Erklärung war in den Medien spekuliert worden, Großbritannien plane den Bau von acht Atommeilern innerhalb der nächsten 15 Jahre.

Blair warnt vor Abhängigkeit

Premierminister Tony Blair lieferte in einem Beitrag für die Times eine Begründung: Atomstrom sei aus Gründen der Energiesicherheit notwendig. Explizit warnte Blair vor der Abhängigkeit von Staaten wie "Russland, die ihre Rohstoffe zur Durchsetzung ihrer Politik benutzen". Durch Öl- und Gasvorkommen unter der Nordsee gehörte Großbritannien bis 2004 zu den Netto-Exporteuren; angesichts schwindender Reserven wird das Land Regierungsberechnungen zufolge in 20 Jahren sein Erdgas zu 90 Prozent aus dem Ausland beziehen.

Unklare Pläne

Die konservative Opposition kritisierte die Verschwommenheit der Regierungspläne, die "keinen einzigen Reaktorbau zur Folge hätten", wie Tory-Sprecher Alan Duncan sagte. Tatsächlich schließt die Regierung Subventionen für den Neubau von Atommeilern aus. Der EdF-Konzern, der in Frankreich 58 AKWs betreibt, sowie das deutsche Unternehmen Eon haben aber Interesse an einer Investition auf der Insel anklingen lassen.

"Privatunternehmen können die Finanzierung neuer Atomreaktoren allein bestreiten, aber wir brauchen die Unterstützung von Politik und Öffentlichkeit", sagt Paul Golby von Eon UK.

49 Prozen der Briten lehnen neue Atommeiler ab

Während es die Regierung mit neuen Planungsgesetzen an Unterstützung nicht fehlen lässt, gehören Konservative und Liberaldemokraten eher ins Lager der Skeptiker. Umfragen aus den vergangenen eineinhalb Jahren zufolge lehnen 49 Prozent aller Briten neue Meiler ab, 44 Prozent befürworten ihren Bau. Derzeit erzeugen die 19 überwiegend veralteten Reaktoren rund 20 Prozent des britischen Strombedarfs; nach bisheriger Planung würde 2023 nur ein einziger Meiler übrig bleiben.

Kaum Alternativen

Trotz zahlreicher Lippenbekenntnisse hat die Labour-Regierung Stromerzeugung aus sauberen Quellen nie kraftvoll gefördert; derzeit liegt der Anteil von Sonne, Wasser und Windkraft bei gerade einmal vier Prozent. Die Regierung hat sich ein Ziel von 10 Prozent bis 2010 gesetzt, zehn Jahre später sollen sogar 20 Prozent des Strombedarfs aus erneuerbaren Quellen stammen.

Da Gezeitenkraftwerke quasi in den Kinderschuhen stecken und Solarzellen zu wenig verbreitet sind, müsste die immense Steigerung vor allem aus der Windkraft kommen. Doch auch in Großbritannien stoßen gigantische Windräder zunehmend auf Widerstand. (DER STANDARD Printausgabe 24.5.2007)