Das Branchenblatt "Extradienst" hat sein August-Heft ganz den Frauen in der Kreativ- und Medienbranche gewidmet. Darin zu finden: "Österreichs Top 50 Journalistinnen", gewählt von einer Altherren-Jury, die unter dem Titel "Die Elf Geschworenen", mit Titel, Funktion und Bild vorgestellt werden. Leider bekamen nur ganze sieben Top-Journalistinnen die Chance auch mit Bild ins Blatt gerückt zu werden (und das auch nur mit unaktuellen Fotos). Dafür zeigt "Extradienst" mit dem ganzseitigen Aufmacherfoto das Klischeebild einer anonymen Journalistin: kurzberockte Beine und kopflos treppensteigend. Dafür vergibt dieStandard.at den ersten Zitronenanteil. Das alles, obwohl sich das Branchenblatt für ein Extra-Ranking für Print-Journalistinnen entschied, weil "viele Schreiberinnen sich leider nicht die Zeit nehmen können, an ihrem Bakanntheitsgrad zu arbeiten". Leider hat auch der "Extradienst" nicht die Chance ergriffen, den Bekanntheitsgrad hervorragender Journalistinnen wirklich zu vergrössern. Zu Wort kamen sie ohnehin nicht. Sie hätten bestimmt viel zu erzählen! Den zweiten Zitronenanteil bekommt "Extradienst" dafür, dass es nicht der Mühe Wert befunden wurde, auch nur mit einer Journalistin persönlich zu sprechen. Dafür bekamen die "Geschworenen" Gelegenheit, ausführlich zu erklären, was sie von Journalistinnen halten ("Blickwinkel einer Frau") und warum sie kaum in Führungspositionen zu finden sind. Gleichzeitig werden in der Ranking-Aufzählung Ressortchefinnen locker zu Redakteurinnen abqualifiziert. Dafür den dritten Zitronenanteil. Ganz anders hingegen die Vorgangsweise bei "Mr. Advertising", der Wahl der "Schönsten unter den 24 attraktivsten Kreativen": Hier werden alle, über die die Jury zu entscheiden hatte mit Foto präsentiert. Auch kommen sie - im Gegensatz zu den Journalistinnen - selbst zu Wort, um über ihr Aussehen und ihre Attraktivität zu sprechen. Von der Jury - diesmal weiblich besetzt - können sich die LeserInnen aber leider kein Bild machen; die Jury-Mitglieder sind nur namentlich aufgezählt. Für die Unterschlagung der Jurorinnenfotos und die unnötige Wahl vergibt dieStandard.at das vierte Zitronenviertel. Spannend: Sobald es um den Erwerb eines Bekanntheitsgrads wegen Qualifikation geht, scheinen die Frauen zum Interviewen und Fotografieren nicht mehr interessant zu sein. Die Männer hingegen schon, auch wenn es nur um deren Schönheit geht. Wären die Frauen also mehr ins Blatt gerückt worden, hätte es einen Journalistinnen-Schönheitswettbewerb gegeben? Die Gesamt-Zitrone für den "Extradienst" wegen Unterschlagung kompetenter und interessanter Frauen und die unnötige Hervorhebung von Männern im "Extradienst" Frauen-Special des Jahres. (eboy)