Tripoli/Beirut/Kairo - Der libanesische Premier Fouad Siniora hat ein entschlossenes Vorgehen gegen die islamischen Extremisten im Nordlibanon angekündigt. Siniora erklärte am Donnerstag in einer Fernsehansprache, die Fatah al-Islam sei eine terroristische Organisation und versuche, aus dem Leid des palästinensischen Volkes Profit zu ziehen. Gleichzeitig sicherte der Regierungschef zu, die Zivilbevölkerung im Flüchtlingslager Nahr al-Bared zu schonen. "Wir werden den Terrorismus entwurzeln, aber wir werden unsere Brüder in den Lagern schützen", sagte Siniora.

An die Palästinenser gewandt erklärte der Premier: "Ihr seid unsere Brüder. Wir teilen mit euch die schlechten Zeiten vor den guten." Einen Tag zuvor hatte Verteidigungsminister Elias Murr den Kämpfern der Fatah al-Islam ein Ultimatum gestellt. Sie müssten sich ergeben oder mit einem militärischen Angriff rechnen. Die Fatah al-Islam verkündete, sie werde nicht aufgeben und jeden Angriff zurückschlagen.

Rund um das palästinensische Flüchtlingslager im Norden des Landes herrschte am Donnerstag gespannte Ruhe. Die Waffenruhe hatte weiter Bestand. Am Rande des Lagers waren nur vereinzelt Schüsse zu hören. Mehrere Dutzend Milizionäre halten sich dort noch verschanzt und weigern sich, zu kapitulieren. Ein großer Teil der 40.000 Bewohner hat das von der libanesischen Armee umstellte Lager nahe Tripoli inzwischen verlassen. Vor allem Frauen und Kinder seien geflüchtet, hieß es.

Ein Hilfskonvoi des Roten Kreuzes verließ am Mittwochabend die jordanische Hauptstadt Amman mit Ziel Nahr al-Bared. Die elf Lastwagen seien mit 220 Tonnen Lebensmitteln für rund 10.000 Palästinenser beladen, die aus dem Lager geflüchtet seien, erklärte das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) in einer Stellungnahme. Die Gefechte haben seit Sonntag nach offiziellen Angaben 30 libanesische Soldaten und 60 Aufständische das Leben gekostet. Nach Angaben aus UNO-Kreisen wurden 20 Leichen von Zivilpersonen aus dem Lager geborgen.

Libanesische Truppen versenkten zwei Schlauchboote mit militanten Islamisten, die über das Mittelmeer aus dem belagerten Flüchtlingslager fliehen wollten. Ein ranghoher Militärvertreter sagte am Donnerstag, alle Islamisten auf dem Boot seien bei dem Zwischenfall am Dienstag getötet worden. Eine Zahl nannte er nicht.

Die libanesische Polizei soll nach dem jüngsten Sprengstoffanschlag drei Syrer festgenommen haben. In der vorwiegend von Drusen bewohnten Ortschaft Aley nahe Beirut war am Mittwochabend ein Sprengsatz in einem Geschäftsviertel explodiert. 16 Menschen wurden verletzt. Es war bereits der dritte Sprengstoffanschlag im Libanon seit dem vergangenen Wochenende.

Die Siniora-Regierung glaubt, dass die Terroranschläge und die Gewalt in Nahr al-Bared von Damaskus gesteuert werden, um das internationale Tribunal zur Aufklärung des Mordes an dem früheren Regierungschef Rafik Hariri zu verhindern. Bei den Ermittlungen zu dem Attentat vom Februar 2005 waren syrische Top-Funktionäre in Verdacht geraten. Die pro-syrische Schiiten-Partei Hisbollah machte ihrerseits die Regierung für die instabile Lage verantwortlich. "Es ist höchste Zeit, dass die jetzige Regierung zurücktritt, damit man endgültige Lösungen für alle anhängigen Probleme finden kann", zitierte der Hisbollah-Fernsehsender Al-Manar den stellvertretenden Generalsekretär der Bewegung, Scheich Naim Qassem.

Unterdessen traf der neue französische Außenminister Bernard Kouchner am Donnerstag zu zweitägigen Gesprächen mit Vertretern aller politischen Gruppen im Libanon ein. Kouchner sprach zunächst mit Regierungschef Siniora, außerdem geplant war ein Treffen mit Oppositionsführer Nabih Berri. (APA/AP/Reuters/dpa)