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Der Name Aperol für das leuchtend orangenrote Bittergetränk klingt zugegebenermaßen ein bisschen nach Chemie und Pflanzenschutzmittel. Der "Aperitif bitter" besteht freilich aus ganz natürlichen Inhaltstoffen: Blutorangen, Rhabarber und Enzianwurzeln, die "aufbereitet werden", so die Herstellerbeschreibung kryptisch. Aus Früchten, Kräutern, Gemüse, Wurzeln und Rinden in stets streng geheimer Rezeptur bestehen viele der bekannten Bitter, die als Grundlage für "Sprizz"-Mischkulanzen herangezogen werden. Dazu zählt Campari, der seit 1860 aus mehr als 60 verschiedenen Zutaten komponiert wird und dessen Farbe von der sattsam bekannten, aber als Lebensmittelfarbstoff begehrten Cochenille-Schildlaus stammt. Auch Cynar, der aus 13 verschiedenen Kräutern und Pflanzen, vor allem aus Artischocken gemacht wird, ist eine der Varianten des venezianischen Sprizz.

Trotz historischer Berührungspunkte (die einst zu Österreich gehörenden Venezianer sollen ihren Wein für die Austro-Soldaten frech mit Wasser verdünnt haben) verbindet den "Spritzer" nach hiesigem Gundverständnis und den venezianischen "Sprizz" kaum mehr als die Namensähnlichkeit: Ein Teil Aperol, Campari, Cynar oder ein vergleichbarer Bitter wird dabei mit zwei Teilen Weißwein wie dem in Norditalien verbreiteten, stillen Prosecco sowie einem Spritzer Soda oder Mineralwasser aufgegossen und mit einer Orangenscheibe dekoriert.

Die Geschmacksrichtung "bitter", einer der - mittlerweile fünf - Grundgeschmäcker, wird zwar oft als unangenehm und hart empfunden. Wird "bitter" aber mit Wasser, Wein oder anderen Beigaben zu "herb" abgemildert, bekommt die Sache einen sehr erfrischenden Geschmack, besonders wenn es heiß ist und zuckerhältige Getränke den Gaumen "verpicken". Dem herben Geschmack sagt man auch eine die Magensäfte stimulierende Wirkung nach, weshalb Sprizz vor allem als Aperitif eingesetzt wird. Sprizz mit Cynar, der als Digestif gilt, wechselt dabei sozusagen die Seiten.

Herbe Aperitifs sind aber keine rein norditalienische Angelegenheit. Die auf den britischen Inseln sehr beliebte Variante des Appetitanregers heißt Pimm's Cup. Grundlage dafür ist Pimm's Nr. 1, ein nach Gewürzen und Zitrus schmeckendes alkoholisches Getränk auf Basis von Gin und einem - wie üblich - geheimen Mix aus Kräutern. Das Ausgangsdestillat, dem in purer Form ebenfalls digestive Wirkung attestiert wird, fällt mit 25 Volumsprozent Alkohol deutlich kräftiger aus als Cynar (16,5 Prozent Alk) oder Aperol (11). Im Verhältnis 1:2 wird Pimm's mit Ginger-Ale oder Tonic gemischt und mit Zitronensaft, Zitronen-, Apfel- und Orangenscheiben sowie mit Minzeblättern aromatisiert. Das früher häufig verwendete Borretsch-Kraut wird heute bevorzugt durch ein Stück Gurkenschale ersetzt. Trinkt sich gefährlich leicht! (Luzia Schrampf, DER STANDARD/RONDO - Printausgabe, 25. Mai 2007)