"Minister hat Dissertation abgeschrieben", titelte gestern die Zeitung "Österreich" in heller Aufregung. Und weiter: "Der für Unis zuständige Minister Hahn soll Doktorat erschlichen haben". Fünf Monate nachdem im STANDARD eine erste Besprechung der Dissertation von Wissenschaftsminister Johannes Hahn erschienen ist, geriet die Arbeit erneut in Diskussion.

Der Medienwissenschafter Stefan Weber wirft Hahn vor, in seiner Dissertation vom Philosophen Leopold Kohr nur leicht oder gar nicht verändert abgeschrieben zu haben. Der Vorwurf mag in Kenntnis der Dissertation eine gewisse Berechtigung haben. Aber er hat auch seine Probleme - einmal abgesehen davon, dass Hahn unter einer Krebserkrankung litt, als er promovierte.

Zuerst einmal ist die Optik eine schlechte: Webers Kritik sieht allzu sehr nach einem Revancheakt aus, hat doch das von Hahn geleitete Ministerium erst jüngst einen Projektantrag des habilitierten Medienwissenschafters zum Thema Plagiate abgelehnt. Was kein Grund ist, Webers Vorwürfe grundsätzlich abzutun.

Nach Lektüre von Hahns Arbeit kann man zwar schwer zu einem anderen Urteil kommen, als dass sie schwach ist und eher nicht die Note "Gut" verdient hat, die der damalige Cand. phil. für sein Opus erhielt. Sein Beitrag zur Forschung (ein Kriterium für Dissertationen) ist gering. Hahn hat in seiner Arbeit die meisten Zitate durchwegs ausgewiesen. Man könnte natürlich aber auch kritisieren, dass es für eine Dissertation etwas befremdlich ist, aus einem Einführungswerk vier Seiten nonstop zu zitieren, wie das der Autor auch gemacht hat.

Hahns Promotionsarbeit ist aber sicher auch nicht schlechter und schlampiger als hunderte andere Dissertationen, die in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten an Österreichs Universitäten angenommen und positiv beurteilt worden sind.

Damit sind wir bei der ersten Lektion, die aus der Debatte um diese Arbeit zu lernen wäre: Am dritten Studienabschnitt - und insbesondere an den Betreuungsverhältnissen ebenda - gehört dringend etwas repariert. Zurzeit werden 17.000 Dissertationen in Österreich geschrieben, nur gut ein Zehntel tut das bezahlt im Rahmen eines Forschungsprojekts. Der Rest forscht und schreibt in der Freizeit - ein unhaltbarer Missstand.

Hahns Arbeit ist aber auch ein gutes Beispiel dafür, wie schlampig Professoren nicht zuletzt in vielen Geisteswissenschaften ihren Betreuungspflichten bis heute nachkommen. (Einmal abgesehen davon, dass Einführungen ins korrekte wissenschaftliche Arbeiten in vielen Studienrichtungen nach wie vor Mangelware sind.) Das liegt natürlich auch am Faktum Massenuniversität. Aber es wäre doch ratsam, zum Beispiel sehr viel selektiver zu sein, wenn es darum geht, wen man eine Dissertation schreiben lässt.

Die hoffentlich bald beendete Diskussion um die Dissertation des Wissenschaftsministers sollte aber endlich auch dazu dienen, den Umgang mit wissenschaftlichem Fehlverhalten in Österreich zu professionalisieren.

Der "Plagiatsjäger" Weber hat in den vergangenen Jahren einige Fälle in die Öffentlichkeit gebracht, die Missstände belegen - nicht zuletzt dadurch, wie unprofessionell mit Webers Vorwürfen umgegangen wurde. Und die an den Universitäten eingerichteten Ombudsstellen haben in vielen Fällen mehr schlecht als recht funktioniert.

Es kann aber nicht sein, dass da eine Privatperson wie Weber zum akademischen Inquisitor und nolens volens auch zum Vernaderer in Sachen akademischer Korrektheit wird, zumal in vielen seiner Fälle Fehden zwischen Abschreibern und Abgeschriebenen Anlass waren.

Deshalb ist es hoch an der Zeit, endlich die geplante, von den Universitäten und dem Ministerium unabhängige Stelle einzurichten, die sich wissenschaftlich und juristisch kompetent mit künftigen Verdachtsfällen von akademischem Fehlverhalten beschäftigt. Und bitte nicht mit der Dissertation des Wissenschaftsministers. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 26. - 28. 5. 2007)