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STANDARD-Chefredakteur Gerfried Sperl erhielt am Dienstag den Kurt-Vorhofer-Preis. Journalistengewerkschafter Franz C. Bauer forderte in seiner Rede einen Presserat und einen neuen ORF-Stiftungsrat.

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Zu einem ganz besonderen Medienereignis wurde, wie wir uns erinnern, die vergangene Preisverleihung, als der Hochner-Preisträger 2006 Armin Wolf in einer sehr mutigen und offenen - für manche überraschend offenen - Weise Probleme und Missstände im ORF angesprochen hat. Die damalige Preisverleihung hat eine bis heute anhaltende Diskussion über innere und äußere Meinungsfreiheit im ORF in Gang gesetzt.

Es muss öffentlich kontrollierbar und nachvollziehbar gemacht werden, wer warum für das ORF-Aufsichtsgremium ausgewählt wird. Öffentliche Ausschreibung, Dreiervorschläge mit öffentlicher Begründung für die Auswahl sollen garantieren, dass dem neuen Aufsichtsgremium Mitglieder angehören, die persönliche Reputation zu verlieren haben und sich nicht leichtfertig Fraktionsvorgaben unterordnen.

Dieses neue Aufsichtsgremium soll analog den Aufsichtsräten von Aktiengesellschaften verkleinert werden und eine adäquate Vertretung der Journalistinnen und Journalisten garantieren. Was das Redakteursstatut betrifft, so hat die Vergangenheit gezeigt, dass hier Sanktionsmöglichkeiten bei Verstößen notwendig sind.

Unabhängigkeit

An dieser Stelle noch eine Bemerkung zur KommAustria. Diese ist eine monokratische Bundesbehörde mit einem im Wesentlichen allein entscheidenden Behördenleiter, der den Weisungen des Bundeskanzlers unterliegt und deren Geschäftsführer ebenfalls vom Bundeskanzler bestellt und weisungsgebunden ist. Hier sind Reformüberlegungen ja bereits im Gang. Die neue Konstruktion muss ein Höchstmaß an Unabhängigkeit gewährleisten, hier soll so weit wie möglich auf Selbstkontrollmechanismen gesetzt werden.

Dass journalistische Tätigkeit nicht nur Mut, sondern manchmal auch eine gewisse Portion an Langmut und Leidensfähigkeit erfordert, zeigt das Beispiel der Kurt-Vorhofer-Preisträgerin Antonia Gössinger. Ihre Tätigkeit als Politikchefin der Kleinen Zeitung in Klagenfurt hat sie ins Schussfeld der Machthaber im Lande gerückt.

Mit persönlichen Verleumdungen und untergriffigen Attacken versucht das dortige politische Establishment, diese mutige kritische Kollegin zu diffamieren. Das Rezept ist einfach: Jemandem passt der kritische Stil eines Journalisten nicht, also versucht man, ihn oder sie mit einer Diffamierungskampagne in den Dreck zu ziehen beziehungsweise, wie in diesem Fall, in die Nähe einer Partei, was für Politikjournalisten naturgemäß existenzbedrohend ist.

Die Journalistengewerkschaft erklärt sich vorbehaltlos solidarisch mit Antonia Gössinger und der Kleinen Zeitung. Ihr Fall zeigt aber besonders eindrucksvoll , wie wichtig es ist, das Recht auf freie Meinungsäußerung durch faire Rahmenbedingungen abzusichern. Eine sozial und arbeitsrechtlich gesicherte Position ist eine der Voraussetzungen dafür, dass eine kritische Haltung nicht unmittelbar zur Existenzbedrohung führt.

Widerrechtlich als solche beschäftigte freie Mitarbeiter sind weder ein ausreichender Garant für eine freie Meinungsäußerung noch sind sie ein leuchtendes Beispiel für unternehmerische Verantwortung in einer Branche, die sich die Verteidigung des Rechtsstaates und der Rechtsstaatlichkeit so gern auf die Fahnen schreibt.

Redaktionsstatuten

Zum Thema Rahmenbedingungen ist zu vermerken, dass es in Österreich noch immer keine gesetzlichen Mindeststandards für verbindliche Redaktionsstatuten gibt, eine langjährige Forderung der Journalisten.

Einen dringenden Verbesserungsbedarf gibt es auch, was die Interpretation der Meinungsfreiheit und deren Grenzen betrifft. Auch hier zeigt der Fall Gössinger einen Mangel auf: Das nunmehr jahrelange Fehlen einer wirksamen Selbstkontrolle macht sich immer stärker negativ bemerkbar.

Seit der einseitigen Sprengung des Presserates ist Österreich meines Wissens nach das einzige EU-Land, in dem eine solche Selbstkontrolle fehlt - ein Kuriosum und eine Lächerlichkeit, die uns in diesem Bereich gegen so manches Entwicklungsland rückständig aussehen lässt.

Dass von privater Seite autoritär eingesetzte Gremien oder selbst ernannte Moralhüter keine geeigneten Lösungen bieten können, versteht sich wohl für jeden ernsthaft an Meinungsfreiheit und Demokratie interessierten Menschen von selbst.

Wir Journalistinnen und Journalisten dieses Landes fordern daher die Errichtung eines Presserates, der auf einer - in Österreich von ganz bestimmter Seite immer wieder gezielt diffamierten, aber sehr bewährten - sozialpartnerschaftlichen Konstruktion basiert. Nur so ist jene demokratische Legitimation und Breite garantiert, die Voraussetzung für eine umfassende Akzeptanz dieses Gremiums ist.

Darüber hinaus gilt logischer Weise: Jede demokratisch legitimierte Selbstkontrolle ist jeder einseitig verfügten, autoritären Lösung vorzuziehen. (DER STANDARD; Printausgabe, 30.5.2007)