Sebastian Bersick ist seit April Forscher an der Stiftung Wissenschaft und Politik und war zuvor am Europäischen Institut für Asien-Studien tätig. Zu seinen Schwerpunkten zählen die EU-Asien-Beziehungen sowie Außen- und Sicherheitspolitik der EU in Ostasien.

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Wären da nicht die Demonstranten, man würde kaum wahrnehmen, dass sich in Hamburg die Außenminister der EU und asiatischer Staaten treffen. Von den Protesten wird nur als Generalprobe für Heiligendamm berichtet. Was aber steckt hinter dem ASEM-Treffen und warum könnte es sogar wichtiger sein als der G-8- Gipfel in der Festung im Ostseebad? Darüber sprach Sonja Fercher mit Sebastian Bersick, Forscher an der Stiftung für Wissenschaft und Politik in Berlin.

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derStandard.at: Gestern fand in Hamburg der Gipfel der EU-Asien- Außenminister statt. Im Vergleich zum G-8-Gipfel aber geht er ziemlich unter. Wäre der ASEM-Gipfel nicht eigentlich wichtiger?

Sebastian Bersick: Tja, wie soll man das messen? An den G-8-Treffen nehmen die Industriestaaten, darunter die USA teil, beim ASEM-Treffen ist das nicht der Fall. Gemeinhin kam internationalen Treffen, an denen die USA teilnahmen, mehr Gewicht zu, als wenn dem nicht der Fall war, und zwar selbst wenn die Treffen nur informell waren.

Auf der anderen Seite befinden wir uns in einer Transitionsphase. Man sollte annehmen , dass Institutionen wie den ASEM eine größere Bedeutung zukommt, und zwar nicht nur aufgrund der Zahlen (60 Prozent des Welthandels, 58 Prozent der Weltbevölkerung, 50 Prozent der Weltwirtschaftsleistung), sondern auch aufgrund der immer größeren Bedeutung von China und Indien.

derStandard.at: Zum aktuellen Gipfel, bei dem der Klimaschutz ein wesentliches Problem zu sein schien. Warum fällt es der EU und den asiatischen Staaten so schwer, sich zu einigen?

Bersick: Das hat mit den unterschiedlichen Argumentationshaushalten zu tun, mit denen sich die jeweiligen Staaten gegenüber sitzen. Die stammen nicht unbedingt daher, dass sie aus Europa oder Asien kommen, sondern das hat viel mit den unterschiedlichen Entwirklungsniveaus zu tun.

Ein Staat wie die Volksrepublik China ist nun einmal ein Entwicklungsland, und auch wenn sie dem Kioto-Protokoll beigetreten sind, ergeben sich daraus keine Verpflichtungen, die Treibhausemissionen zu verringern.

Genauso wenig wie Indien muss China hier Zugeständnisse machen. Hier sind die Industriestaaten besonders gefordert, weil sie aufgrund der Emissionsregelung (Emissionshandel, Anm.) letztlich für die Ist-Situation verantwortlich sind.

Die asiatischen Staaten haben aber zugleich ein Recht auf Entwicklung. Einerseits sehen sie natürlich auch, dass sie auf nachhaltige Entwicklung angewiesen sind. Andererseits sind auch die Industriestaaten gefordert entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.

Denn wenn man sich die Pro-Kopf-Zahlen ansieht, sind immer noch die größten Verursacher die Amerikaner, und nicht die Chinesen..

derStandard.at: Worauf führen Sie es zurück, dass dem ASEM-Treffen dennoch so wenig Beachtung geschenkt wird?

Bersick: Das hat unter anderem damit zu tun, dass es informeller Natur ist, es also nicht bindende Papiere produziert und es in gewisser Weise vielmehr um vertrauensbildende Maßnahmen geht. Nichts desto trotz ist der ASEM- Prozess immer weiter gewachsen.

derStandard.at: Inwieweit?

Bersick: Nicht nur hinsichtlich der Teilnehmerzahl, sondern auch hinsichtlich der Politikfelder, die bearbeitet werden, und der teilnehmenden staatlichen wie nicht-staatlichen Akteure. Er findet inzwischen auf einer Vielzahl von Ebenen statt: Jener der Staats- und Regierungschefs, der Außenminister und der Senior Officials. Da trifft sich eine Vielzahl von Experten und es hat sich eine Vielzahl von kommunikativen Netzwerken etabliert.

Angesichts der wirtschaftlichen, aber auch politischen Bedeutung von Staaten wie China oder Indien, aber auch der ASEAN-Staaten ist das zunehmend von Bedeutung.

derStandard.at: Welche Themen werden im Rahmen von ASEM behandelt?

Bersick: Die Politikfelder, die er bearbeitet, sind drei Säulen zugeordnet: Wirtschaft, der politische und der kulturelle Dialog.

Man kann argumentieren, dass er inzwischen um eine weitere Säule erweitert ist, nämlich der sozialen, die sich zu institutionalisieren beginnt.

Dazu muss man sagen, dass es ohne Beteiligung der zivilgesellschaftlichen Akteure nicht dazu gekommen wäre, dass die ?soziale Dimension der Globalisierung? zu einem festen Bestandteil des ASEM-Prozesses geworden wäre.

derStandard.at: Wirtschaft ist also nicht das wichtigste Thema?

Bersick: Natürlich hat man sich von europäischer Seite damit ganz klar eine Vertiefung der wirtschaftlichen Kooperation, einen Ausbau des Handels, der Investitionen erhofft, beispielsweise in der Form von weitergehenden Liberalisierungsmaßnahmen im Bereich des Handels, der Investitionen oder Dienstleistungen. Das ist bisher aber nicht eingetreten. (Sonja Fercher, derStandard.at, 30.5.2007)