Stefan Weber hat mit seiner Attacke auf den Wissenschaftsminister endgültig den Durchbruch in die Schlagzeilen der Massenmedien geschafft. ORF-TV widmete Bild und Ton seiner Spätabend-"ZiB" dem Thema, Ö1 machte es zur Lead-Story im "Morgenjournal", der Zeitungsboulevard urteilte, keines der Qualitätsmedien ließ einen Aufmacher aus. Die Story ist da.

Damit adeln die Medien den Spürhund mit jenen fünf Sekunden Aufmerksamkeit, die schon Andy Warhol ironisch als das höchste Objekt der Begierde in der postmodernen Lebenswelt diagnostizierte. Als Medienwissenschafter weiß Weber um die Dynamiken und muss sie auch voll verantworten. Mit dem Augenblick im Scheinwerferlicht hat Weber aber auch sein Anliegen zerstört. Die Medien haben ihn samt seiner Geschichte gefressen. Wieso? Er hat sich vom nützlichen Aufspürer in einen illegitimen Anpatzer gewandelt.

Weber startet mit einer medienwissenschaftlich richtigen Beobachtung, der des Google-Paste-Syndroms. Durch die globale Bibliothek des World Wide Web und die Suchmaschinenkraft von Google, Yahoo oder anderen wird es heutzutage für jeden Studierenden leicht, aus der schier unendlichen Textwelt jene Stellen auszuwählen, die, im Patchwork zusammengefügt, als eigenständige Arbeit ausgegeben werden können, ohne es zu sein.

Weber zeigte den Missbrauch dieser Errungenschaft auf. Statt die Quellen in eigenen Gedanken zu ordnen, statt die Entwicklung des eigenen Argumentes zu fördern, verwenden viele (Studierende) die verfügbare Textplethora, um sich den Aufwand des eigenen Schreibens zu ersparen.

Am Pranger ...

Suchen, Markieren, Kopieren, Einfügen und Reformatieren. Fertig. So lassen sich Texte schnell bauen. Geschwindelt wird, wenn diese Texte als etwas anderes ausgegeben werden als sie sind: als eigene Gedankenleistungen und Schreibmühe. Sie sind Diebstahl durch den Nichtverweis auf die vorhergehende Leistung eines oder einer anderen.

Weber hat mit Intelligenz und Beharrlichkeit Missbräuche an österreichischen Universitäten aufgedeckt. Er hat die Rolle des Spürhundes übernommen und Dinge gefunden, die viele in der Öffentlichkeit überraschten, in den Universitäten aber auch vielen bekannt waren. Er hat den Missbrauch im System dokumentiert und Korrekturen eingemahnt. Die Medien waren seine Waffe gegen lasche Reaktionen. Es entstand Aufmerksamkeit.

Weber entstand damit auch ein Problem: Wer soll den Spürhund füttern, wer darf ihn führen, wer begutachtet den Fund und wer verantwortet das Vorgehen? Weber wollte vom Wissenschaftsministerium gefüttert werden, sich selbst führen und selbst begutachten. Das wurde abgewiesen.

Mit seiner Attacke gegen den Wissenschaftsminister zerstört er nun sein Anliegen: eine vor 20 Jahren im Abendstudium mit der Hand geschriebene Dissertation, die nachträglich abgetippt wurde, hat nichts mit dem Google-Paste-Syndrom zu tun. Nur am Pranger der Medien lässt sich das vertuschen. Nur durch den Pranger der Medien wird alles, was der Spürhund findet, zur richtigen Beute.

... der Medien

Weber hat gezielt ein boulevardeskes Medien-Halali erzeugt und sich vom Spürhund zum Jäger und vom Jäger zum Richter gewandelt. Das ist illegitim und ein massiver Bruch von intellektueller Integrität. Weber ist in der Fertigkeit der Textinterpretation gut genug geschult, um zu wissen, dass Textgleichheiten noch lange kein Missbrauch sind. Er weiß genau, dass Konventionen und Kontext entscheiden.

Seinen Anspruch, ein guter Spürhund zu sein, hat Weber zerstört, weil er sich auf die Richterbank gesetzt hat. Man sollte ihn von dort wieder entheben und für eine entsprechende Besetzung mit einer Ombudsperson sorgen. Die könnte dann nicht nur die wirklichen Missbräuche aburteilen, sondern auch Unschuldige vor einer Opferung auf den Nachrichtenaltären der Tagesmedien schützen. (DER STANDARD, Printausgabe,30.5.2007)